Sympathische Protagonistin

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marialein Avatar

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Cassie Raven geht voll in ihrem Beruf auf, den andere eher gruselig finden: Als Sektionsassistentin präsentiert sie Verstorbene ihren Angehörigen und bereitet die Autopsie vor. Dabei legt sie stets Wert auf einen respektvollen Umgang mit ihren „Gästen“, wie sie sie nennt, und setzt auch gern mal ihre besondere Gabe ein, die ihr teilweise auch bei der Ermittlung der Todesursache Hinweise liefern kann: sei es eine besonders feine Wahrnehmung, sei es übernatürlicher Art, jedenfalls „hört“ Cassie hin und wieder die Toten sprechen.

Doch ihre professionelle Haltung droht ins Wanken zu geraten, als sie schließlich einen sehr persönlichen Fall untersucht. Von ihrer Großmutter erfährt sie nämlich, dass ihre Eltern, als sie vier war, nicht etwa wie behauptet bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Ihre Mutter wurde ermordet, und zwar von ihrem Vater. Nun taucht dieser auf einmal aus dem Nichts auf und versucht Cassie zu überzeugen, dass er zu Unrecht verurteilt wurde.

DS Phyllida Flyte kann mit Cassies Goth-Look sowie der ganzen Szene nicht viel anfangen. Dennoch fühlt sie sich auf unerklärliche Weise zu Cassie hingezogen und immer wieder gibt es Berührungspunkte, wo Phyllida für Cassie ein Auge zudrückt und sie bei ihren Recherchen unterstützt. Letztendlich hat auch sie ein Anliegen, bei dem Cassie ihr weiterhelfen kann: Sie will herausfinden, wie genau es zwei Jahre zuvor zur Totgeburt ihrer kleinen Tochter gekommen ist – und ob sie dies in irgendeiner Weise hätte verhindern können.

Die beiden Hauptprotagonistinnen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, waren mir auf Anhieb sympathisch. Ein bisschen hatte ich leider am Anfang lange Zeit das Gefühl, die Beziehungen zwischen den beiden, aber auch zu anderen Personen im Roman, nicht ganz zu greifen, da ich den Vorgänger „Tote schweigen nie“ nicht kenne. Sicher, vieles wird kurz erklärt und natürlich soll auch nicht der komplette erste Teil gespoilert werden. Aber das Gefühl, nicht den richtigen Zugang zu den Charakteren zu finden, hat mich anfangs etwas gestört.

Sehr gut habe ich hingegen Zugang zu dem Mordfall und Cassies Ermittlungen dazu gefunden. Es wird gegen Ende hin so richtig spannend und es gibt auch noch reichlich überraschende Wendungen. Parallel wird auch immer wieder über Fälle aus Cassies Berufsalltag berichtet, die ich ebenso spannend fand. Auch das ausführliche medizinische Hintergrundwissen war meiner Meinung nach gut darin untergebracht, ohne dass es zu „lehrbuchhaft“ gewirkt hätte.

Wer spannende Thriller mit sympathischer Protagonistin und vielleicht noch ein paar Einblicke in die Welt der Rechtsmedizin mag, wird von diesem Roman sicher nicht enttäuscht. Sinnvoll wäre es aber definitiv, mit dem Vorgänger zu beginnen.