Brisantes Thema, mediokre Ausführung

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Ungewohnt brisant ist das Thema, dessen sich Nele Neuhaus in ihrem neuen Krimi angenommen hat. Ist die Energiewende nach Fukushima als Schlagwort momentan in aller Munde, sind auch die damit verbundenen regenerativen Energien durchaus heiß diskutiert. Auch im Taunus, dem Revier der beiden Ermittler Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein, geht man mit dem Trend der Zeit und versucht sich an der Errichtung eines Windparks durch die Firma WindPro. Diese Firma gerät allerdings zunächst nicht durch das gigantische Vorhaben des Windparks ins Visier der Ermittler, sondern durch einen unklaren Todesfall. Der firmeneigene Nachtwächter kam ums Leben und lag mehrere Tage unentdeckt im Bürokomplex der WindPro AG.  Auf den ersten Blick ist keine eindeutige Todesart zu erkennen und auf den Überwachungsbändern sind mehrere verdächtige Personen zu erkennen …

Ein großer Plan

Dieser Todesfall ist es allerdings nicht, der die Gemüter der Dorfbewohner erhitzt. Die Ankündigung des WindPro-Chefs Stefan Theissens ist es vielmehr, die die Gemeinschaft der Königssteiner entzweit. Infolge des Bauplans für den Windparks hat man schon alle für den Bau benötigten Grundstücke aufgekauft, bis auf ein Grundstück, das dem pensionierten Jäger Ludwig Hirtreiter gehört. Da dieser sich allen Aufkaufversuchen widersetzt hat, wurde von Seiten der WindPro AG die unglaubliche Summe von drei Millionen für das Gebiet ausgesetzt. Während einige der Dorfgemeinschaft für den Verkauf plädieren, sind andere Einwohner gegen einen solchen Plan. Eines Morgens wird nun Ludwig Hirtreiter erschossen auf seiner Wiese aufgefunden. Verdächtige gibt es viele und wohl jeder hätte ein Motiv gehabt, da Hirtreiter auch nicht gerade beliebt in der Dorfgemeinschaft war. Dies ist für Oliver und Pia nun schon der zweite Fall, bei denen die Firma WindPro eine Rolle spielt und schnell wird ihnen klar, dass es irgendwo eine Verbindung zum Tod des Nachtwächters geben könnte.

Dynamiken im Dorf

Gelungen schafft es Nele Neuhaus in „Wer Wind sät“, die Dynamiken innerhalb des Dorfes zu skizzieren, die infolge des potentiellen Vermögens von drei Millionen für Ludwig Hirtreiters Wiese entstehen . Dies erinnert sogar stellenweise leicht an „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt, in dem eine Dorfgemeinschaft ebenfalls infolge eines finanziellen Versprechens schon bald dazu bereit ist, sämtliche Regeln über Bord zu werfen. Durch die verschiedenen Motive, die jeder für den Mord an Ludwig Hirtreiter gehabt hätte, wird die ganze ermittlungstaktische Arbeit für Pia und Oliver natürlich auch nicht leichter und stellt die beiden oftmals vor schwierige Herausforderungen.

Personalsattes Karussell

Bis hierhin hätte alles auch routiniert und gut lesbar ablaufen können, allerdings begeht Nele Neuhaus den Fehler, ihre Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählen zu wollen (was per se ja nichts Schlechtes ist), allerdings überfrachtet sie die Geschichte damit so manches mal. Sie erzählt von den Ermittlungen von Pia, von Oliver, von den Geschehnissen aus Sicht der Dorfbewohner und hierbei gibt es wieder einige Protagonisten, die manchesmal ein wenig deplaziert wirken. Auf der einen Seite ist es natürlich schön, die Erlebnisse auch aus einer anderen Sicht als der der Ermittler präsentiert zu bekommen, allerdings hemmt das den Lesefluss, wenn schon wieder, statt den Ermittlungen den Vorrang zu geben, von beispielsweise den Konkurrenzkämpfen im örtlichen Tierheim berichtet wird. Oftmals beschleicht den Leser hierbei das Gefühl, dass weniger doch mehr gewesen wäre.

Fazit

Zwar ist Nele Neuhaus‘ „Wer Wind sät“ von der Thematik her brisant und gut gedacht, allerdings krankt das Ganze ein wenig an der Ausführung, da die Geschichte mit Personal überladen ist und einige Elemente enthält, die die Erzählung nur unnötig aufblasen. Hier hätte das Lektorat sicher gut an einigen Kürzungen getan. Gut lesbarer Krimistoff für einen entspannten Nachmittag, doch die Klasse von „Schneewittchen muss sterben“ erreicht das Ganze leider nicht!

 

Bücher sind wie Schiffe, die das Meer der Zeit durchsegeln (Francis Bacon)