Wer Wind sät, wird im Sturm untergehen

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Bürgerbegehren sind groß in Mode. Ob Umbau eines Bahnhofes oder Errichtung von Empfangsmasten für Mobiltelefone. Alles wird in Frage gestellt und, oft zu Recht, durch engagierte Initiativen ver- oder behindert. Hohe Brisanz haben in diesem Zusammenhang auch Windkraftanlagen. Energiegewinnung durch Sonne oder Wind sind allgemein anerkannt. Aber wer möchte schon ein Windrad direkt vor seiner Haustür haben? Glücklicherweise gibt es im wirklichen Leben normalerweise keine Mordopfer, wenn für oder gegen ein solches Projekt demonstriert wird. Anders bei Nele Neuhaus. Im fünften Fall des Ermittlerduos Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff häufen sich mehrere Todesfälle. Und lange gelingt es den beiden nicht, frischen Wind in die Suche nach dem Mörder zu bringen.

 

Rolf Grossmann, Nachtwächter der Firma WindPro, wird tot an seinem Arbeitsplatz gefunden. Obwohl nicht klar ist, ob es sich um einen Unfall handelt, werden Oliver Bodenstein und Pia Kirchhoff gerufen. Zunächst scheint alles auf einen tragischen Unglücksfall zu deuten, doch einige Ungereimtheiten, allen voran ein toter Hamster auf dem Schreibtisch des Chefs, machen den Ermittlern der Frankfurter Kripo klar, dass der Tod des Mannes keineswegs natürlicher Art war. Die Spur führt zur Wiese von Ludwig Hirtreiter. Der Rentner, Gründer der Bürgerinitiative “Keine Windräder im Taunus”, will sein Grundstück nicht an die Windparkbauer verkaufen. Als bekannt wird, dass ihm mehrere Millionen Euro geboten worden sind, werden seine Mitstreiter misstrauisch, besonders der Sprecher der Initiative Jannis Theodorakis. Kurz darauf ist ein zweiter Mord zu beklagen. Die Spur führt bis in den Gutshof von Olivers Eltern. Graf Heinrich von Bodenstein gehört ebenfalls zu den erbitterten Gegnern des Bauprojekts.

 

Nele Neuhaus hat wieder einen prallen Krimi vorgelegt. Auf über 500 Seiten präsentiert sie eine Fülle spannender Handlungsstränge. Allerdings entsteht der Eindruck, dass sich die Autorin etwas verzettelt. Zu viele Figuren mit den unterschiedlichsten Problemen lassen den “roten Faden“ manchmal gefährlich in den Hintergrund treten.

 

Der cholerische Ludwig Hirtreiter, den die eigenen Kinder wegen des zu erwartenden Geldes unter Druck setzen. Jannis Theodorakis, der den Windparkboykott zum privaten Rachefeldzug nutzt. Seine Freundin Ricky, die eifersüchtig die Demütigungen ihres Freundes erduldet. Oder der psychisch labile Mark, der heimlich in Ricky verliebt ist und Jannis vergöttert, bis er durch Zufall die entsetzlichen Lügen der beiden durchschaut. Nika, die eigenbrötlerische Aushilfe in Rickys Tierladen die ein gefährliches Geheimnis hütet, ist dann fast schon zuviel des Guten. Am Ende läuft einiges aus dem Ruder. Nicht nur für die Verdächtigen sondern vor allem für Oliver von Bodenstein, dem die Autorin einen kompletten “Persönlichkeitswandel” verpasst hat. Durch die Trennung von seiner Frau aus der Bahn geworfen, ist von diesem Charakter fast nichts mehr geblieben, das an die ursprüngliche Figur aus den ersten Bänden der Reihe erinnert.

 

“Wer Wind sät” ist ein fesselnder Schmöker. Dass ein Handlungsstrang (welcher, sei der Spannung halber nicht preisgegeben) der das Buch streckenweise dominiert, am Ende ins Leere läuft und sich als (zumindest für den vorliegenden Fall) komplett überflüssig erweist, kann man der Autorin verzeihen. Das Geschehen wird atmosphärisch so dicht gesponnen, dass man trotz einiger inhaltlicher Schwächen mit atemloser Neugier folgt. Allerdings wäre selbst die “abgespeckte” Version sicher mitreißend genug gewesen. Weniger ist halt oft mehr!