Windkraft, nein danke!

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In ihrem fünften Fall wird Kommissarin Pia Kirchhoff direkt nach der Rückkehr aus ihrem Shanghai-Urlaub in die Firmenzentrale von WindPro gerufen. Dort wurde der Wachmann tot aufgefunden - und zunächst sieht alles wie ein Unglücksfall aus. Später wie Mord - und schließlich und endlich war es wohl doch ... der Auftakt zu einem spannenden, fulminanten Roman um Windenergie, Machtdenken und sogar die große Politik.

Neuhaus entwickelt einen ganzen Reigen von Charakteren, die rund um die ermittelnden Beamten Kirchhoff und Oliver von Bodenstein sowie dem neuen Kollegen Cem Altunay, agieren. Einen breiten Raum nehmen die Wortführer der Anti-Windpark-Bürgerinitiative ein, denn WindPro hat nicht nur den toten Wachmann zu beklagen, sondern auch Probleme, einen geplanten Windpark im Taunus auch wirklich zu errichten. Eine Zuwegung fehlt - und die Wiese, die dazu nötig wäre, gehört nun gerade einem der erbittertsten Gegner des Windparks, dem verschrobenen Ludwig Hirtreiter. Dieser macht sich durch seine Weigerung, die Wiese zu verkaufen, nicht nur Feinde bei WindPro, sondern auch in der eigenen Familie. Und auch in der Bürgerinitiative kann seine Art nicht punkten. Daher gibt es ausreichend Verdächtige, als er erschossen wird.

Überhaupt wird viel gestorben in diesem neuen Krimi von Nele Neuhaus. Und noch mehr verschwiegen, gelogen und hintergangen. Denn keiner, denen die Ermittler begegnen, ist wirklich ganz ehrlich - weder die Mitglieder der Bürgerinitiative, noch die Mitarbeiter von WindPro, noch die ominöse Nika, in die sich Oliver von Bodenstein Hals über Kopf verliebt, so dass er für die Ermittlungen nur noch am Rande zur Verfügung steht.

Thematisch ist viel enthalten auf den rund 550 Seiten des neuen Taunus-Krimis. Von der Debatte über die Windenergie, über sexuellen Missbrauch, eine Massenpanik während einer Protestveranstaltung bis hin zu Liebe, Hörigkeit und - leider nur in Andeutungen - einer Klimathese, die besagt, dass verheimlicht wird, dass der menschgemachte Klimawandel gar nicht so schlimm sei.

Wenn Neuhaus auch die Charakterisierungen ihrer Personen, die Beschreibungen der Landschaften und der Beziehungen untereinander gut und flüssig gelingen, so ist die politische Dimension des Krimis misslungen. Eine klimapolitische Argumentation findet nicht statt, die angedeutete These vom Klimawandel bleibt unausgegoren - und meiner Meinung nach einfach falsch. Und in Sachen Windkraft mag nicht nur die Bürgerinitiative im Roman nicht wirklich Position beziehen, sondern Frau Neuhaus ebenfalls nicht. Ehrlich gestanden sind die Personen, die als Wortführer dieser Initiative beschrieben werden, so unsympathisch und so wenig politisch, dass es schon als Affront gegen all diejenigen aufzufassen ist, die sich engagieren - sei es nun für oder gegen Windkraft, für den Tierschutz oder alles andere. Die Charakterisierung, die bei Neuhaus zugrunde liegt, erinnert schon fatal an diejenige, mit der auch Politiker grundsätzlich abgetan werden: Alles geschehe nur aus Machtdenken, Geldgier oder Rache. Und dem ist nun mal auf keinen Fall so - weder bei PolitikerInnen noch bei den vielen Menschen, die sich für die (vielleicht richtige, vielleicht falsche) Sache einsetzen. Aber wenn man ein politisch heißes Eisen anpackt, sollte man auch entsprechend argumentativ gewappnet sein.

Insgesamt wird das Thema "Windkraft" leider vertan, nichtsdestotrotz ist "Wer Wind sät" gut geschrieben, spannend zu lesen und mit einem ansprechenden Cover ausgestattet, das zumindest an "Schneewittchen muss sterben" erinnert und gut zum Inhalt passt. Das Lesebändchen, von dem ich hier schon mehrfach gelesen habe, war in meinem Wanderbuch leider nicht mehr enthalten ...