Die Leseprobe hält nicht, was sie verspicht

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shu_liest_buecher Avatar

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Puuh, wo soll ich anfangen?

Zuerst einmal, was mir gefallen hat:
Ich habe die Leseprobe verschlungen! Raeve ist gewitzt, intelligent und mutig und die ersten 80 Seiten haben sich wie im Flug gelesen. Die Welt ist umfassend und der Erzählstil ausführlich: Schnelle Szenen sollte man nicht erwarten, dafür erlebt man jedes Detail und erfährt die Beweggründe hinter Raeves Handlungen. Sie ist auf diesen Seiten eine richtige badass Assassinin, die nicht sauber und lieblich mordet wie viele andere Frauen, sondern dreckig und blutig und mit Gefühlen, die alles andere als „weiblich“ sind: Sie ist grausam und will Leid sehen. Auch das wird detailreich beschrieben und ist in dieser Situation passend und nachvollziehbar.

Die erste Begegnung mit Kaan findet bald nach dem ersten Mord statt, die Spuren des Mordes noch teilweise ersichtlich. Doch sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, ist abgebrüht und windet sich erfolgreich aus der Situation heraus. Er ist danach erstmal wieder weg – das fand ich sehr gut. Viel zu oft sind die Hauptprotagonisten in einem Romantasy-Roman nach dem ersten Auftreten einfach gekommen, um zu bleiben.

Leider wendet sich das Blatt mit Raeves Befreiung aus der Gefangenschaft (die ich noch toll fand, da sie nicht wie die Prinzessin auf der Erbse in einer gemütlichen Zelle auf ihren Prinzen wartete, sondern körperlich und seelisch leiden musste). Auftritt Kaan die Zweite, Retter von Jungfrauen in Nöten, der nicht nur Raeve aus der Gefangenschaft befreit, sondern von nun an auch alle ihre Kämpfe fechtet. Ab jetzt ist Raeve als badass Assassinin abgemeldet, sie ist nur noch schmückendes, schmachtendes Beiwerk, das von Kaan mitgenommen wird, weil er es eben kann und die nicht zu stark ist, damit der Held in seiner Rolle als Retter glänzen kann. Anstatt sich zu befreien, als sich die Gelegenheit ergibt, erdolcht sie ihn lieber nicht, sondern wird von seinem guten Aussehen und seinem riesigen… ja genau das… sofort bekehrt, sodass sie ihn am liebsten umgehend besteigen möchte.

Allerdings hätte man das besser auf den 820 Seiten davor eingebaut, anstatt diese interessante Welt zu vernachlässigen und den Fokus auf Muskeln und knurrende Menschen zu legen.

Von mir 1,5 Sterne für den tollen Anfang einer Geschichte, deren komplettes Potenzial meiner Meinung nach verschenkt wurde.