Female Rage manifestiert in Drachinnen!

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mrsmurphy Avatar

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Alles mit Drachen ist dieser Tage „in“, das Genre Fantasy kommt nicht mehr ohne aus. Aber in diesem Buch geht es eigentlich weder um Drachen, noch ist es klassische Fantasy. Es geht um weibliche Wut, neudeutsch „Female Rage“.
„When Women were Dragons“ ist zeitlich angesiedelt in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts in den USA. Wir kennen es entweder aus eigenem Erleben oder unzähligen Büchern, Filmen und Serien: Klassisches Frauenbild, Mama und Hausfrau, Mann der Alleinverdiener, Töchter werden zum Abziehbild der Mutter erzogen. Frauen, die raus aus dieser Rolle wollen, spüren die volle Gegenwehr der prüden, konservativen Gesellschaft. Was wäre, wenn sich in diesen Frauen eine Wut aufbaut? Eine Wut, die sich irgendwann Bahn bricht und in einem massenhaften Drachinnenwandel manifestiert. Frauen werden zu hunderttausendfach zu Drachinnen. Sie brechen durch Kleider und Schuhe und schließlich aus ihrer Haut. Ihnen wachsen Krallen und Flügel und sie erheben sich als Drachinnen in die Lüfte, nicht bevor sie den einen oder anderen Unterdrücker in Gestalt des Ehemannes, Chefs, Lehrers in Flammen aufgehen lassen. Dieses Bild ist großartig! Ich als Leserin fand es passend, fast logisch.
Die Geschichte selbst wird erzählt aus Sicht von Protagonistin Alexandra, genannt Alex. Ein hochbegabtes junges Mädchen, das erlebt, wie sich ihre Tante Marla in eine Drachin verwandelt, die Mutter zurückbleibt und künftig das Thema mit einem Tabu belegt. Selbst Cousine Beatrice, die Mutter Marla als Baby zurücklassen muss, wird fortan als Kind bzw. Schwester aufgenommen. Als die Mutter an Krebs stirbt, werden Alex und Beatrice vom Vater abgeschoben, damit dieser sich einer neuen, jüngeren Frau widmen kann. Alex wird nach der Rolle als Cousine und Schwester plötzlich auch noch in die Mutterrolle gedrängt.
Selbst beim Lesen spürt man Wut, Wut über die Lasten, die die Familie, die die Gesellschaft Alex auf den Rücken lädt. Ihre außerordentliche Intelligenz wird in keiner Weise gefördert, sondern eher als Affront gegenüber Jungen und Männern gewertet. Warum sollte sie studieren und einem jungen Mann den Platz wegnehmen? Das ist die Meinung des Vaters, der ihr mit diesen Worten die finanzielle Unterstützung für ein Studium versagt. Oder der Lehrer für Mathematik, der Alex intellektuell hoffnungslos unterlegen ist und sie im Leistungskurs Mathematik als Assistentin ausnutzt, ihr aber eine Empfehlung für die Universität verweigert.
Alex‘ Geschichte wird immer wieder unterbrochen von eher trockenen Untersuchungsberichten, Presseartikeln oder Protokollen von Zeugenaussagen oder Anhörungen. Diese fiktiven Berichte, die so offizielle daherkommen, sind interessant und witzig, haben aber bei mir den Lesefluss gehemmt. Ich wäre lieber bei der Geschichte geblieben, die Alex erzählt.
Fazit: Ich mochte diese feministische Parabel mit dem großartigen Bild stattlicher Drachinnen, die gegen das Rollenbild revoltieren und ausbrechen. Das hatte Wumms. Die kurzen Zwischenkapitel fand ich dagegen weniger spannend.
Und abschließend: Was für ein wunderschönes Cover! @CrossCult