Bewegend: Freundschaft, Familie, Liebe

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
nadines_buecher Avatar

Von

Der vielschichtige Roman von Kristin Hannah ist aus verschiedenen Perspektiven und in Sequenzen der Gegenwart und der Vergangenheit in Form von Rückschauen, die sich im Laufe der Erzählung zu einem Ganzen verdichten, geschrieben. Die Rahmenhandlung bewegt sich in einem Zeitraum von 12 Tagen, dem 2. bis 14. September 2010, vom versuchten Selbstmord der einst berühmten Talkshow-Moderatorin Tully Hart über ihren Krankenhaus-aufenthalt und das künstliche Koma, in das sie versetzt wird, bis hin zur Entscheidung ihrer Mutter Dorothy sie nach Hause zu holen und zu pflegen solange sie im Koma liegt. Eng verbunden mit Tullys Geschichte ist die Geschichte der Familie Mularkey-Ryan, der Familie von Tullys bester Freundin Kate, die vor vier Jahren an Krebs verstarb. Trotz eines mehrere Jahre andauernden Streits zwischen den beiden Frauen hatte Tully ihre Show – und damit ihre Karriere, wie sie später feststellt, aufgegeben um der Freundin zur Seite zu stehen. Allerdings schafft sie es nicht, wie von Kate gewünscht, sich nach ihrem Tod um Kates Familie zu kümmern, da Kates Mann Johnny dies nicht zulässt. Er hängt noch dem Streit der beiden Frauen nach und versteht nicht, dass Tully es z.B. aus emotionalen Gründen nicht auf die Trauerfeier schafft und Kates Wunsch nachkommt, statt zu trauern zu tanzen und ihr Leben zu feiern. Seine Trauer bedingt, dass sich seine 16-Jährige Tochter Marah, Tullys Patenkind, von der Familie entfernt. Nur die 8-Jährigen Zwillinge Wills und Luke halten zu ihrem Vater. Neben Johnnys Perspektive wird auch die von Marah dargestellt, die sich unverstanden fühlt, nicht um ihre Mutter trauern kann und sich deshalb zu Ritzen beginnt. Tully verspricht, sich um ihre Patentochter zu kümmern als Johnny beschließt, nach LA zu ziehen um dort zu arbeiten. So darf Marah zunächst bei Tully in Seattle bleiben, doch ihr Zustand verschlechtert sich, da sie auch bei Tully, die inzwischen von Beruhigungs- und Schmerzmitteln sowie Alkohol lebt, keinen wirklichen Halt findet – oder finden will. So verschwindet Marah schließlich eines Tages mit dem charismatischen Paxton, den sie in einer Therapiegruppe kennenlernt. Fortan wohnt sie in Abbruchhäusern, kleidet sich als Grufti und geht Gelegenheitsjobs nach. Von Pax und seinen Drogen scheint sie mehr und mehr abhängig zu werden. Als Pax sie wieder einmal unter Druck setzt, besucht sie Tully, die sie allerdings leicht zugedröhnt vorfindet, und fordert Geld. Dies verweigert ihr Tully, da sie meint dies sei auch die Entscheidung ihrer Freundin Kate gewesen. Daraufhin verkauft Marah Tullys Abhängigkeit an ein Magazin, um an Geld zu kommen. Als Tully dies liest, beschließt sie ihrem Leben ein Ende zu setzen und fährt mit dem Auto gegen einen Brückenpfeiler. Johnny wird nach dem Unfall vom Krankenhaus verständigt. Während dem Kampf um Tullys Leben dort arbeitet er seine eigene Trauer auf, die Geschichte seiner Frau und deren bester Freundin, seine Wut auf Tully. Schließlich erreicht er auch Marah, die sogar ins Krankenhaus kommt, es schafft sich von Pax zu lösen, sich bei Tully entschuldigen will und so wieder zu ihrer Familie findet. Ein weiterer Handlungsstrang ist die Geschichte von Tullys Mutter Dorothy, alias Cloud, einem Hippie-Mädchen mit lang anhaltender Drogensucht. Erst kurz vor Tullys Unfall gelang es Dorothy, clean und sesshaft zu werden, eine Lebensaufgabe im Anbau von biologischem Gemüse zu finden. Sie erzählt Tully während ihres einjährigen Komas das, was sie ihr während ihrer Kindheit bis hin zu dem Moment in dem Tully ihre Memoiren schreiben wollte, um wieder ins Scheinwerferlicht zurückzufinden, nicht sagen konnte. Man erfährt, dass Dorothy als Kind Missbrauchsopfer war, von ihrer unverständigen Mutter in furchterregende Therapieeinrichtungen gebracht wurde, quasi umerzogen wurde. Schließlich lernte Dorothy den Greaser Rafe kennen, mit dem sie weglief und von dem sie mit Tully schwanger wurde. Als Rafe verhaftet wird, weil Dorothy sich aus einer Depression heraus gegen ihn wendet, wird sie zurück zu ihren Eltern gebracht und erneut in eine Klinik eingewiesen. Tully bleibt bei den Großeltern, wo sie schließlich, nachdem sie ihren Vater die Treppe heruntergestoßen hat, Tully nach erneuter Umerziehung entführt um mit ihr in Kommunen und Trailerparks zu leben, bis sie nach dem Tod von Dorothys Eltern in deren Haus einziehen. Dort in der Nachbarschaft trifft Tully dann auf Kate, ihre beste Freundin. Aufgrund ihrer Drogensucht kann Dorothy Tully keine richtige Mutter sein, diesen Part übernehmen Kates Eltern Margie und Bud, mit denen sich Dorothy schließlich im Krankenhaus anfreundet. Am Verstörendsten sind jedoch die Kapitel, in denen Tully selbst aus ihrem Koma-Zustand zu Wort kommt. Sie scheint über ihrer sterblichen Hülle zu schweben, sieht alle die sie besuchen kommen, hört was sie ihr erzählen. Auch ihre Freundin Kate spürt und hört sie bei sich. Kate führt Tully an Orte wo die beiden glücklich waren, bittet sie weiterhin sich dafür zu entscheiden am Leben zu bleiben. Auch bittet Kate Tully, ihr ihre Perspektive der Geschehnisse seit ihrer Beerdigung zu schildern, die Auseinandersetzung mit und die Zurückweisung durch Johnny, die Vorfälle mit Marah die zu deren Verschwinden führten. Sie bittet sie auch, allen Personen genau zuzuhören, gerade ihrer Mutter die sie anhand ihrer Lebensgeschichte um Verzeihung bittet. Diesen Teil der Geschichte muss man mögen, an solche Empfindungen und Nahtoderfahrungen muss man glauben um der Geschichte weiter folgen zu können. Sonst wirkt alles zu phantastisch. Der Roman ist sehr eindringlich und emotional geschrieben, die ein oder andere Träne ist gewiss. Die häufigen Perspektivenwechsel, die zeitlich versetzten Bruchstücke der Vergangenheit und der Geschehnisse sind zunächst gewöhnungsbedürftig. Jedoch gelingt es der Autorin sehr gut, die Teile zu einem großen Ganzen zusammenzuführen, so dass man sich in der Geschichte nicht verloren fühlt. Den Vorgänger-Roman zur Freundschaft von Tully und Kate, „Immer für dich da“, muss man meiner Meinung nach nicht gelesen haben, um der Handlung folgen zu können oder um weitere Hintergrundinformationen zu haben. Wer Bücher über die Bedeutung von Freundschaft, Familie, Liebe und irgendwie auch Happy Ends mag, ist hier genau richtig.