Erinnerungen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
dimity74 Avatar

Von

Ich bin selbst auch ein Kind der DDR, habe meine Kindheit und Jugend in diesem Land erlebt. Schon auf den ersten Seiten waren die Erinnerungen da, als Isas Oma vorm Fernseher die Ziehung der Lottozahlen verfolgt, ähnlich wie es meine Oma auch immer getan hat.

Isa, oder besser Isabella ist Schauspielerin und bewirbt sich eher notgedrungen für einen Werbespot für Joghurt. Aus dem Spot wird nichts, dafür wird sie angeheuert um Protagonisten für eine Fernsehserie zu finden, die erzählen, "wie es in der DDR wirklich war". Eigentlich ganz einfach, sollte man meinen, doch Isa fühlt sich mit diesem Auftrag zunehmend unwohl, obwohl ihr die Reise in die Vergangenheit, in ihre Kindheit, durchaus gefällt.

Die Autorin beschreibt die Suche nach "Authentizität" mit sehr viel Humor. Die Erinnerungen der meist schon älteren Protagonisten sind sehr echt erzählt, unverklährt, ohne Schuldzuweisungen , oder politische Propaganda. Beim Lesen kamen Erinnerungen hoch an Dinge, an die ich seit Ewigkeiten nicht gedacht habe, wie die Plastikhülle für die Milchtüten. Anderes, wie der typische Bahnhofsgeruch sind mir heute noch so gegenwärtig, wie vor dreißig Jahren. Ich fand es herrlich.

Sehr eindringlich wird der Unterschied deutlich zwischen dem, was die Menschen erinnern, die hier gelebt haben und dem, was die Anderen gern erinnern wollen. Besonders beim Interview mit den Zeitzeugen wird dies erkennbar, wen der westdeutsche Redakteur unzufrieden damit ist, das die Kindergärtnerin nicht einsehen will, wie falsch sie all die Jahre bei der Erziehung vorgegangen ist, oder keiner etwas über die Stasi und die Mangelwirtschaft erzählt. So sehr ich bei den Geschichten der oft etwas verschrobenen Figuren auch Schmunzeln musste, so sehr hat mich erbost, auf was das Leben in der DDR am Ende meist reduziert wird. Der Spruch "Es war nicht Alles schlecht" hat durchaus seinen wahren Kern und nichts mit übersteigerter Ostalgie zu tun.

Das Buch macht ohne Wertung und auf leichtfüßige Weise klar, dass es auch nach all den Jahren noch Vorurteile auf beiden Seiten gibt, ein vorgefertigtes Bild in den Köpfen der Menschen herumspukt, angefeuert von den immer gleichen Bildern und Berichten, dass das Zusammenwachsen immer noch nicht wirklich abgeschlossen ist, und dass irgendwie beide Seiten enttäuscht sind von dem, was sie da mit der Wiedervereinigung bekommen haben.
Das Buch ist keine Aufarbeitung der Geschichte, es spielt humorvoll mit Klischees und Stereotypen, erzählt anrührende Erinnerungen von Menschen, die einfach ihr Leben gelebt haben. Natürlich spielt ein wenig Melancholie mit, aber das ist bei Erinnerungen doch immer so.

Nach der Lektüre schwelge ich erstmal in Erinnerungen an eine wunderschöne Kindheit auf dem Land, in der ich nichts vermisst habe, und in diesen Erinnerungen ist das Gras grün und die Sonne scheint und ich hoffe das der Konsum eine Lieferung Himbeerjoghurt in der Glasflasche bekommen hat. Ich habe bis heute nichts gefunden, das an diesen Geschmack herankommt.