Der Plan war gut – aber es fehlt der Zauber der Ballsaison

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gapsi Avatar

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Das Buch passt natürlich sehr gut zum aktuellen Hype um die Serie Bridgerton – auch im Klappentext wird der Vergleich zu Bridgerton und Jane Austen gezogen. Mir hat hier allerdings in beide Richtungen etwas gefehlt: Bridgerton hat einen ganz besonderen Zauber – den Glamour und Charme der Ballsaison, die Vor-freude der Debütantinnen und die Atmosphäre, die durch Klatsch und Tratsch verbreitet wurde. Jane Aus-ten glänzt durch intelligente, schlagfertige Dialoge, die aber nie überzogen oder aufdringlich wirken. Beides fand ich in „Wie man sich einen Lord angelt“ nicht wirklich. Zwar ist Kitty zweifelsohne eine starke Figur, die für ihre Familie alles tut und ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurückstellt, sie ist schlagfertig und intelligent – aber mir ist sie an einzelnen Stellen zu „plump“, zu aufdringlich und ja, einfach zu wenig zu forsch. Ich bin nicht wirklich mit ihr warm geworden, nur die ca. letzten 70 Seiten konnten mich mit dem Buch versöhnen.

Kitty Talbot lebt nach dem frühen Tod ihrer Eltern allein mit ihren vier Schwestern in einem Cottage in De-votshire – der Vater hat der Familie leider einen großen Berg an Spielschulden hinterlassen, sodass für Kitty nur eine Möglichkeit bleibt, für das Auskommen von sich und ihren Schwestern zu sorgen: Die Heirat mit einem reichen Mann. Leider stellt sich genau das als Problem dar, denn ihr Verlobter lässt sie direkt auf den ersten Seiten des Buches sitzen und die Uhr tickt – nur wenige Monate bleiben Kitty noch, bis die Schulden getilgt sein müssen. Entschlossen, diese Situation zu meistern, reist sie mit ihrer Schwestern nach London um hier, im Rahmen der Ballsaison, einen Ehemann zu finden. Ohne großen Vorlauf, beginnt Kitty die Her-ren zu umgarnen, wobei sie auch nicht vor den scheinbar unerreichbaren Familien Halt macht. Doch hat sie nicht mit Lord Radcliffe gerechnet, der sie schnell durchschaut und seine Familie vor Kitty „in Sicherheit bringen möchte“. Ob Kitty bei einer anderen gut situierten Familie „fündig wird“ ist ihm dabei gleich, sodass er zunächst eher unwillig, später durchaus belustigt, beginnt Kitty unter die Arme zu greifen.

Wie schon gesagt – ich bin mit Kitty nicht wirklich war geworden. Ich finde es toll, wie entschlossen sie ihrer Familie helfen möchte, aber mir ist sie einfach zu forsch. Dieses „über Leichen gehen“, dieses direkte ange-hen ihres Plans war mir an der ein oder anderen Stelle zu viel. Hier hätte ich mir gewünscht, dass es (auch wenn der Leser natürlich weiß, in welche Richtung es geht) doch weniger offensichtlich passiert. Für Kitty gab es von Anfang an nur das eine Ziel und das wurde verfolgt, Komme was wolle. Ebenso fand ich die Dia-loge zu harsch – ja Kitty ist keck und kommt nicht aus der feinen Gesellschaft – aber mir war es an einzelnen Stellen einfach eine Spur zu frech.

Auch diesen Charme der Ballsaison habe ich nicht wirklich gespürt, dadurch, dass Kitty so vehement ihr Ziel verfolgt hat, blieb für mich das Eintauchen in die Bälle ein bisschen auf der Strecke. Hier hätte ich mir noch mehr Beschreibung gewünscht, mehr von der Welt „außenrum“.

Auch die anderen Figuren blieben wegen der reinen Fokussierung auf Kittys Ziel etwas farblos. Ihre kleine Schwester bringt es ganz gut auf den Punkt „es geht immer nur um dich“ – ja so war es wirklich – gerade Cecily fand ich als Nebenfigur sehr interessant, aber sie bleibt fast bis zum Schluss auf der Strecke. Ebenso Archie, der aus meiner Sicht eher als dummer Junge dargestellt wird. Die Geschichte ist einzig um Kitty auf-gebaut – hier wäre für mich noch ein bisschen mehr Drumherum schön gewesen.

Versöhnt haben mich die letzten ca. 70 Seiten mit dem Buch – hier kam viel zusammen und gerade Kitty wurde eben nicht mehr nur als die junge Frau dargestellt, die einfach nur dringend einen Mann braucht. Hier kamen von verschiedenen Seiten die Hintergrundgeschichten mit hinein, es wurden Gefühle gezeigt und die Suche nach dem Ehemann rückte in den Hintergrund. Davon hätte ich mir etwas mehr gewünscht.