Wie die Flügel der Libelle

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owenmeany Avatar

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Wenn ein Agententhriller im Suhrkamp-Verlag erscheint, ist schon mit einem gewissen Niveau zu rechnen. Von Anfang an sind es die kleinen Bemerkungen zwischen den Zeilen, die mich im Bann halten, Anspielungen auf Zeitgenössisches wie die RAF, einen Sternenschweif an Bedeutung hinter sich herziehend. Zu diesem historischen Hintergrund gehört auch die Guillaume-Affäre, die Russen in Afghanistan, der NATO-Doppelbeschluss. Die literarischen Zitate wählt Pflüger derartig treffend, dass einem wahre Kronleuchter aufgehen, Humor und Ironie breitet sich in Metaphern, Vergleichen und Andeutungen aus.

Das Erlernen des Handwerks einer Spionin wird als Ninas erste Herausforderung eingehend beschrieben, aber auch die damit verbundenen mentalen Voraussetzungen entfalten sich vor den Lesern zunächst in beschaulichem Tempo, bevor der Autor mit zunehmend erfolgreichem Training der Heldin auch mit heftigen Action-Szenen aufwartet.

Politisch bezieht er eindeutig Position: die Sowjetunion finanziert und steuert die Friedensbewegung gegen den NATO-Doppelbeschluss ebenso wie die RAF - das muss man erst einmal verkraften, wenn man damals besten Willens nach Bonn marschierte.

Wie bei jedem Spionageroman darf man nicht in seiner Konzentration nachlassen, denn Doppelagenten und Maulwürfe verwandeln die Szenerie in ein schlüpfriges Pflaster, aber das ist ja auch immer am Ende der Clou. Meistens ist es der, dem man es am wenigsten zutraute - oder vielleicht auch gerade nicht ...

Spannend liest es sich jedenfalls bis zur letzten Seite, auch wenn mir schließlich ein paar Volten etwas hanebüchen vorkamen. Ninas Wandel von der zarten Lyrikliebhaberin hin zur skrupellosen Verteidigerin ihres Lebens und von allem, was ihr ans Herz gewachsen ist, vollzieht Pflüger in ihrer psychologischen Entwicklung glaubwürdig, gerade weil sie sehr schnell gegen ein Prinzip der Agententätigkeit verstößt: keine emotionale Beziehung zu dem Geführten! Doch ohne solche Verwicklungen wäre das Buch auch nicht so lesenswert.

Wer nach LeCarrés Tod dessen Werken nachtrauert, kann sich trösten: mit Pflüger hat ein Würdiger das Staffelholz ergriffen.