Wie sterben geht – Kein Sachbuch

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
fahrcks Avatar

Von

Der Titel könnte auch auf ein etwas absurdes Sachbuch hindeuten – dem ist aber mitnichten so. Vielmehr hat der renommierte Drehbuch- und Romanautor Andreas Pflüger hier einen actionreichen und sehr gut recherchierten Spionagethriller vorgelegt. Vor dem historischen Hintergrund des Kalten Krieges Anfang der 1980er Jahre starten die ersten beiden Kapitel rasant mitten in der Geschichte. Von hier aus bewegt sich der Zeitstrahl der Storyline gleichzeitig vor und zurück – sprich abwechselnd in Rücklenden und im Jetzt. Diese Erzählweise fordert die Konzentration der Leser*innen, wobei der Autor netterweise jeweils am Anfang der Kapitel schreibt, wann und wo wir uns gerade befinden.
In den recht kurzen Kapiteln wechseln sich jeweils temporeiche und etwas ruhigere Passagen ab, die Leser*innen finden somit zwischen den Actionszenen immer wieder Atempausen und auch humorvolle Szenen lockern die Anspannung hin und wieder. Dabei wird die Spannung durchgehend weitestgehend hochgehalten, nur einige wenige Szenen und vor allem Dialoge waren mir zu langatmig und ausufernd geschrieben, grundsätzlich kommt bei der Lektüre jedoch bis auf die wenigen Längen eher keine Langeweile auf.
Die Hauptfigur Nina Winter bewegt sich eines Spionagethrillers würdig auf dem Level einer Superheldin durch die Geschichte. Selbst waghalsige und nachteilige Szenen enden im Ergebnis positiv. Dabei ist sie schlau, wortgewandt, überaus sportlich, stark und reaktionsschnell. Damit nicht genug, scheint sie auch noch so sympathisch zu sein, dass alle Figuren, die auf ihrer Seite der Geschichte stehen, ihr sofort große Zuneigung, Respekt und Vertrauen schenken. Dieser zweite Aspekt war mir nicht so richtig nachvollziehbar, denn auch wenn die sportliche und diszipliniert-talentierte Seite sehr gut rüberkommt, gibt es kaum Szenen, in denen Nina Winter bei mir Sympathien erweckt. Im Gegenteil, blieb sie mir bis zum Ende irgendwie fremd, kühl und gar unsympathisch. Die ihr von anderen Figuren entgegengebrachte Sympathie ging mir eher ab.
Die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit ist in der Geschichte für mich nicht immer erkennbar. Die Handlungsorte und Personen werden von Pflüger alle sehr authentisch geschrieben und die akribisch recherchierten historischen Fakten originell mit der fiktiven Haupthandlung verwoben. Ich war dabei oft verleitet, die Handlung auf Fakten zu checken, wobei dies generell eher keine gute Idee ist, da die Gefahr sich selbst zu spoilern mit jeder eigenen Recherche steigt. Pflüger selbst gibt am Ende eine kurze Einordnung zum Wahrheitsgehalt, die ich persönlich vielleicht lieber am Anfang oder an den entsprechenden Stellen in Form von Fußnoten gesehen hätte, um eben nicht in eigener Recherche abzugleiten. Dies ist aber persönliche Vorliebe und faktenchecken bei Romanen vielleicht auch eine schlechte Angewohnheit.
Den viel gelobten aber durchaus gewöhnungsbedürftigen Sprachstil Pflügers mochte ich grundsätzlich. Ihm gelingt es zum Beispiel, Metaphern zu finden, die mich laut auflachen ließen, etwa „Sein Lachen erinnerte an Bremerhaven im Regen“ (S. 57). Doch über die Länge des Buches wurde dieses Pferd der absurden Metaphern leider völlig zu Tode geritten, irgendwann war ich davon eher genervt als begeistert - mitunter gab es davon zwei auf einer Seite und damit einfach zu viel des Guten. Aber dies nur ein kleiner Minuspunkt.
Insgesamt ein solider Roman, meine Empfehlung geht raus an alle Liebhaber von Spionage-, Agenten- und Actionromanen. Das gelungene Cover mit passendem Farbschnitt tun das übrige um zum Kauf anzuregen.