Krimi mal anders!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
fräuleinsalander Avatar

Von

In der Wiener Oper wurden bereits mehrere Darsteller während der Vorstellung getötet und da die Ermittlungen bisher im Sande verlaufen, beschließt Kommissar Hannes Fischer, zwei Undercover-Agenten als Statisten in die Oper einzuschleusen: Charlotta „Lotta“ Fiore, Tochter einer berühmten Opernsängerin, die der Polizeihochschule verwiesen wurde und nun als Kaufhausdetektivin arbeitet und Konrad Fürst, ehemaliger Kriminalkommissar, der jetzt als Clown "Foxi" Kinder unterhält. Diese zwei gescheiterten Existenzen erscheinen auf den ersten Blick vielleicht nicht als die geeignetsten Ermittler, denn beide sind eigentlich viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Die Geschichten von Konrad und Charlotta werden zu einem wichtigen Teil der Romanhandlung und werden sogar eindrücklicher geschildert als die eigentlichen Mordfälle.

Der Roman ist in relativ kurze Kapitel eingeteilt und jede Kapitelüberschrift hat eine Referenz zur Opernwelt, zum Beispiel „Tonart“, „Lieto Fine“ und „Hosenrolle“. Die Handlung lässt sich in drei Handlungsstränge einteilen: Die Morde an den Operndarstellern werden aus der Sicht der Mordopfer beschrieben, der Großteil der Geschichte wird aus der Sicht der Hauptperson Charlotta erzählt und schließlich gibt es noch die Berichte über ein kleines Mädchen, das von schweren Albträumen geplagt wird, deren Hintergrund erst am Ende des Romans deutlich wird. Charlotta ist ein interessanter Charakter; man ahnt, dass sie in der Vergangenheit Schlimmes erlebt hat und sich deshalb so verhält wie sie es tut: Sie ist sehr impulsiv, hat Probleme sich auf andere Menschen einzulassen, steht immer noch im Schatten ihrer erfolgreichen Mutter und sucht Ablenkung in Männergeschichten und Alkohol.

Ich finde, dass „Wiener Totenlieder“ kein Krimi im herkömmlichen Sinne ist, denn der Kriminalfall nimmt nicht die zentrale Rolle im Geschehen ein. Ich fand das Buch dennoch spannend; am Schluss schließt sich der Kreis der gesamten Geschichte, der Kriminalfall wird gelöst und Charlotta’s Vergangenheit kommt ans Tageslicht. Obwohl ich den Einblick in die Opernwelt interessant fand, war mir das Ende etwas zu „weichgespült“ und das, was über Charlotta’s Vergangenheit ans Tageslicht kommt, ziemlich vorhersehbar. Die Mordserie, die teilweise etwas hinter der Geschichte der Hauptdarstellerin zurückstehen muss, wirkt ziemlich konstruiert und die Schlussfolgerungen zur Mordserie fand ich teilweise nicht logisch bzw. nachvollziehbar: warum wird das Opernhaus trotz der anhaltenden Morde nicht geschlossen oder warum darf nach dem Einbruch in Charlotta’s Wohnung die Spurensicherung nicht eingeschaltet werden?

Trotz dieser Kritikpunkte habe ich das Buch gerne gelesen, die spannendste Frage für mich war jedoch nicht, wer der Mörder ist, sondern welche Geheimnisse Charlotta hat und was die Geschichte des kleinen Mädchens mit der Handlung zu tun hat. Dies ist kein typischer Krimi und die Krimihandlung hat mich nicht immer überzeugt, aber es ist dennoch ein ungewöhnlicher Roman. Die Beschreibung der Hauptfigur Charlotta hat mir gut gefallen und die Schilderungen, wie Charlotta und Konrad, die beide etwas Traumatisches erlebt haben jetzt versuchen, den Alltag zu meistern fand ich sehr eindrücklich.