Tolle Charaktere, oberflächliche Story

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missmarie Avatar

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"Aber mehr noch ging es um den Moment. Innezuhalten, um etwas als bedeutsam anzuerkennen."

Emelie und Sara haben viel Schmerzhaftes in ihrem Leben erlebt. Verlassenwerden und Ausgenutztsein, Drogen und Verlust von Freunden oder Familienmitgliedern. Dennoch finden beide ganz auf ihre Art das Schöne im Leben, in den kleinen Dingen. Für Sara mag das neben der Fürsorge für ihren Bruder das Mixen perfekter Drinks sein. Für Emelie ist es das stimmige Arrangieren von Blumen und das Schaffen von Orten, an denen man sich willkommen und geborgen fühlen kann. Davon erzählt Nina Lacours erster Roman für Erwachsene, "Wilde Minze", in erster Linie. Zwar geht es auch um Liebe und Beziehungen. Aber im Vordergrund stehen das Sichfinden und das Weitermachen.

So gerne hätte ich diesem Buch mehr als drei Sterne gegeben. Ich bin quasi durch die Seiten geflogen und hätte fast das ganze Buch an einem Stück lesen können. Besonders schön sind die sinnlichen Bilder, Duft, Geschmack, Farben, die die Autorin schafft. Und gerade im hinteren Teil des Buches, in dem die Autorin Szenen mit Freunden voller Wärme beschreibt, fühlt man sich als Leser zwischen den Seiten geborgen. Für mich zeigt das Buch vor allem eins: Dass man sich sein Leben schön einrichten kann, selbst wenn es einem übel mitspielt und man vielleicht über weniger Mittel verfügt. Es geht um das Schöne in den kleinen Dingen. In einem Familienessen, das beim Nachkommen gelingt. In der Freude eines außergewöhnlichen, aber dennoch perfekten Blumenarrangements. Oder in einem guten Abend mit Freunden, die zusammen Filme im Garten schauen.

Dennoch kann ich "Wilde Minze" nur bedingt weiterempfehlen. Denn sobald ich ein Kapitel beendet bzw. die Seiten zugeschlagen habe, konnte ich mich nicht mehr richtig an die Handlung erinnern. Es gibt in dem Buch einige Episoden, die die Entwicklung der beiden Figuren ausmachen. Die Kapitel sind immer abwechselnd aus Saras und Emelies Sicht erzählt. Darin gibt es den ein oder anderen Zeitsprung, den sich der Leser selbst erschließen muss. All das macht eine Erzählung zwar interessant, hat hier aber zu viel zwischen die Seiten quetschen wollen. Auf knapp 300 Seiten die Lebensgeschichte von 14-28 Jahren von zwei Figuren zu erzählen, gelingt der Autorin leider nur bedingt. Und so bleiben viele Episoden, die für die Figuren sehr wichtig sind, für den Leser oberflächlich und fern. Das ist der sehr schade, denn mit mehr Ausführlichkeit hätte ich dieses Roman geliebt.