Drei Frauen auf neuen Wegen

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monika85 Avatar

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"Wilder Honig", der neue Roman der walisischen Autorin, Dramaturgin und Drehbuchautorin Caryl Lewis, spielt in Berllan Deg, einem kleinen Dorf in Wales. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen mit Hannah, Sadie und Megan drei Frauen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können.

Die 70-jährige Hannah ist in tiefer Trauer, ihr Ehemann John, der Imker und Schriftsteller war, ist nach 50 Ehejahren infolge einer schweren Krankheit verstorben. Ihre sechs Jahre jüngere Schwester Sadie reist an, um sie zu unterstützen. Die Schwestern haben sich seit vielen Jahren nicht gesehen und sind sich fremd geworden. Während Hannah ihr ganzes Leben im Elternhaus geblieben ist, ist Sadie früh ausgezogen, um eigene Wege zu gehen. In Johns Unterlagen findet Sadie außer einem Testament 11 Briefe, die John kurz vor seinem Tod an Hannah geschrieben hat. Darin zieht er nicht nur Parallelen zwischen dem Leben der Bienen und seiner Beziehung zu Hannah, sondern beichtet seiner Frau ein lange gehütetes Geheimnis ...

Das Buch ist in ganz wunderbarer und poetischer Sprache geschrieben, auch der ruhige Erzählstil begeisterte mich sofort. Die interessanten und sympathischen Charaktere sind mit Empathie und Liebe beschrieben. Es geht in dem Buch neben Trauer und Verlust auch um Liebe und Neubeginn. Wir begleiten Hannah, Sadie und Megan über den Zeitraum eines Jahres und erleben, wie sie sich behutsam einander annähern. Meine Lieblingsfigur war Hannah, die nicht nur Johns Tod verarbeiten muss, sondern auch sein schockierendes Geständnis, das sie zutiefst verletzt hat. Im Laufe der Zeit gelingt es ihr, aus der Planung und Neugestaltung ihres Obstgartens neue Kraft und Zuversicht zu schöpfen.

Die Briefe, die John seiner Frau hinterlassen hat, stellen für mich das Highlight des Buches dar. Wir lernen John mit jedem Brief etwas besser kennen und können auch seine Handlungsweisen immer besser nachvollziehen. Er reflektiert nicht nur die gemeinsame Zeit mit Hannah, sondern übt in seinen Briefen auch Selbstkritik. Ich fand es sehr interessant und faszinierend, Einblicke in die mir bisher nur oberflächlich bekannte Bienenwelt zu bekommen. Im Laufe der Handlung widmet sich die Autorin immer intensiver der Bienenzucht, es wurde mir zu viel mit dem Bienenthema, zumal auch die bis zu einem gewissen Grad durchaus interessant geschilderte Gestaltung des Obstgartens immer mehr Raum einnimmt. Die Natur steht mir zu sehr im Vordergrund, ich hätte gern mehr über die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistinnen gelesen.

Das erste Drittel des Buches hat mir sehr gut gefallen, danach bahnte sich eine vorhersehbare, unrealistische und kitschige Liebesgeschichte an, auf die ich gut hätte verzichten können. Sprache und Erzählstil fand ich ganz wunderbar, allerdings hatte ich insgesamt mehr von der Geschichte erwartet - sie hat mich leider nicht überzeugen können.

Trotz meiner Kritikpunkte vergebe ich 3 Sterne und empfehle den Roman allen Lesern, die gern Bücher mit intensiven und schönen Naturbeschreibungen lesen.