Von Bienen und Menschen

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jackolino Avatar

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Caryl Lewis hat eine kleine Farm in Wales zum Schauplatz ihres Romans „Wilder Honig“ gemacht.

Hannah hat ihr ganzes Leben dort verbracht, anders als ihre Schwester Sadie ist sie nie von zuhause weggezogen. Ganz im Gegenteil, ihr Mann John zog zu ihr und ihren Eltern in das Haus, schrieb dort seine Bücher und pflegte seine Bienen.

Nun ist er gestorben und Hannah ist untröstlich. Der Roman beginnt mit der Beerdigung, mit der walisischen Tradition, eine Witwe während der ersten Trauerzeit nicht alleine zu lassen. Dabei hätte Hannah sich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich zur Ruhe zu kommen. Kurz danach taucht ihre Schwester Sadie bei ihr auf und quartiert sich zunächst einmal in ihrem alten Zimmer ein. Und mit Megan kommt eine weitere Besucherin.

John hat seiner Frau 11 Liebesbriefe hinterlassen, er beichtet ihr darin, was er ihr nie sagen konnte, aber er versichert sie andererseits seiner Liebe über den Tod hinaus. Diese Liebesbriefe sind sehr poetisch und lehnen sich eng an das Leben der Bienen an, die John Zeit seines Lebens ans Herz gewachsen waren.

Im über die Weihnachtszeit eingeschneiten Wales nähern sich die drei Frauen einander an. War da am Anfang noch Eifersucht, Misstrauen und Angst so schaffen sie es, sich durch Gespräche und Ehrlichkeit miteinander anzufreunden. Aus einem Besuch wird ein längerer Aufenthalt.

Es ist bemerkenswert, dass 95 % der Handlung tatsächlich nur auf diesem Hof und im Obstgarten spielen. Dabei ist der Garten, sind die Apfelbäume ebenso wichtig zur Heilung von Hannahs Seele wie die sie umgebenden wenigen Menschen. Der Roman ist einfühlsam geschrieben und wirkt, da nicht wirklich viel passiert, entschleunigend. Mit den Bienen und den Obstbäumen gehen wir durch ein ganzes Jahr, wir starten in der Ruhephase im Winter, erleben wie im Frühling wieder das Leben zurückkehrt und auch Hannah sich wieder soweit erholt hat, dass sie ihre lange gereiften Ideen für den Apfelgarten nun endlich verwirklichen kann. Megan hingegen widmet sich den Bienen und lernt von Jack, einem jungen Mann aus dem Dorf und ehemaligen Schüler von John alles über ihre Pflege. Gemeinsam holen sie im Herbst die Ernte ein und bereiten den Garten auf den nächsten Winter vor.

Als Leser war ich beeindruckt, wie sehr das Leben der Bienen dem der Menschen ähneln kann. Gemeinsinn wird großgeschrieben, jeder kennt seinen Platz und erfüllt seine Verpflichtungen. John schreibt in seinen Briefen an Hannah viel von Bienen, er überträgt es aber auch immer wieder auf das menschliche Zusammenleben und er versucht ihr damit zu erklären, was er ihr nie sagen konnte. Und ich denke, Hannah hat ihn zum Schluss verstanden. Sie hat den Weg zurück ins Leben gefunden.