Unterhaltung mit Tiefgang

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takabayashi Avatar

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Nikki ist die PA von Mrs. Fred Toppler. Die steinreiche Witwe hat auf der griechischen Insel Skios im Namen ihres Mannes eine Stiftung mit dem Ziel, die zivilisatorischen Werte zu fördern, ins Leben gerufen, deren eigentlicher Zweck es jedoch eher zu sein scheint, den Superreichen Gelegenheit zu bieten, ihre Jachten spazieren zu fahren.

In diesem Jahr hat Nikki die alljährlich stattfindende Hausparty organisiert und den Gastredner Dr. Norman Wilfred, einen weltweit führenden Experten für Szientometrie, persönlich ausgewählt. Als sie ihn nun vom Flughafen abholt, kommt zu ihrem Erstaunen nicht der unansehnliche Wissenschaftler mittleren Alters auf sie zu, den sie erwartet hat, sondern ein junger Mann mit einem reizend verwuschelten Blondschopf und unwiderstehlichen Rehaugen. Was für eine angenehme Überraschung! Er sah zwar auf dem Foto etwas anders aus, aber Nikki ist nur allzu gewillt, die Erinnerung daran zu verdrängen.

Zurück in der Stiftung kommt Dr. Wilfred auch bei allen anderen Gästen und der Hausherrin außerordentlich gut an. Er wickelt sie alle um den Finger, der gewohnheitsmäßige Hochstapler und Charmeur Oliver Fox!

Währenddessen ist der echte Dr. Wilfred in dem luxuriösen Landhaus gelandet, in dem eigentlich Oliver Fox ein tête à tête mit Georgie (zufällig Nikkis bester Freundin) haben sollte. Dr. Wilfred ist zwar über den Ablauf etwas verwundert, denkt aber, dass er sich im Gästehaus der Stiftung befindet.

Nicht unwesentlich tragen die Taxifahrer-Zwillinge Stavros und Spiros, Elli - die griechische Telefonistin der Stiftung und diverse vertauschte Koffer zum Verwirrspiel bei.

"Skios" ist eine intelligente Verwechslungs-Komödie, die satirische Seitenhiebe austeilt: gegen die Protagonisten des Kultur- und Wissenschaftsbetriebes, Intellektuelle und Pseudointellektuelle, die High Society, die Neureichen, Politiker, Oligarchen, und und und … und z. B. Amerikaner: "Europäer im allgemeinen verkörperten für sie (gemeint ist die Amerikanerin Mrs. Toppler) die zivilisierten Werte, die zu fördern die Fred-Toppler-Stiftung existierte, und die Briten waren Europäer, die so vernünftig und taktvoll waren, englisch zu sprechen." (Zitat S. 8).

Der Humor ist zum Schmunzeln. nicht zum laut lachen, und vermutlich werden sich erst beim zweiten Lesen sämtliche Spitzen erschließen, denn Frayn lässt ein solches Feuerwerk auf den Leser los, dass man beim schnellen Lesen (man möchte schließlich wissen, wie dieses ganze Chaos ausgeht) gar nicht alles mitkriegt, was in dem Text steckt. Kein seichter Unterhaltungsroman, sehr amüsant, aber doch auch zum Nachdenken anregend. Also im besten Sinne britisch, wie auch viele britische Filme, die prächtig unterhalten und trotzdem Tiefgang haben.

Einziger kleiner Wermutstropfen: die deutsche Übersetzung ist zwar in Ordnung, aber ich vermute, dass das Lesevergnügen bei der Lektüre des englischen Originaltexts noch gesteigert werden könnte, deshalb werde ich den Roman beim nächsten Mal auf englisch lesen.