Ich liebe dieses Buch!

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ismaela Avatar

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Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Buch die Leserschaft spalten wird - die einen werden überhaupt nichts damit anfangen können, die anderen werden es lieben.

Ich habe es geliebt!

Es ist nicht einfach, für dieses Buch eine Rezension zu schreiben; es ist zwar als Fantasy deklariert, aber die Geschichte an sich hat viel mehr zu bieten: es ist surreal, kafkaesk, grotesk und voller unerwarteter Wendungen und absurder Situationen.

Die Grundlage für dieses Buch bilden mehrere Podcasts aus Amerika, bei denen ein Radiomoderator der fiktiven Stadt Night Vale seine Moderation und Infos über den Äther schickt. Im Buch werden Sendeausschnitte immer wieder zwischen den einzelnen Kapiteln mit eingeschoben.

Night Vale ist nicht wie andere Städte, es gibt viele mysteriöse Regeln, Gesetzte, und der Alltag unterscheidet sich grundlegend von dem anderer Städte. In einem Pfandhaus nimmt die ewig 19jährige Jackie Pfandgegenstände entgegen und gibt für jedes einzelne davon 11 Dollar, bis sie eines Tages einen Papierstreifen in die Hand gedrückt bekommt, auf dem KING CITY geschrieben steht. Sie schafft es nicht, das Papier wieder los zu werden, es kehrt immer wieder zu ihr zurück. Ein ähnliches Problem hat Diane Crayton, die einen weiteren dieser Zettel bei ihrem Sohn Josh findet, der seit einiger Zeit versucht, mehr über seinen Vater zu erfahren, der ihn und seine Mutter verlassen hat, als Josh noch ein Baby war. Somit sind beide, Jackie und Diane mit KING CITY verbunden.

"Willkommen in Night Vale" ist wie ein Traum. Nicht diese Pseudo-Träume aus Frauenzeitschriften, auf der eine hübsche Frau auf einem schwarzen Hengst über eine Blumenwiese trabt. Es ist wie ein Traum, der, solange er einer ist, für den Träumenden real ist, in dessen Situationen aber immer wieder seltsame und absurde Bröckchen auftauchen. Diese werden aber als normal hingenommen, es gibt kein Wundern. Ich glaube, das ist das, was mich an diesem Buch so angezogen hat. Es gibt immer wieder Szenen, die mich gefangen genommen haben - etwa, wie der Mann mit dem Hirschlederkoffer in die Wüste hinaus läuft, die anonyme Frau, die heimlich in Dianes Haus lebt und die Wäsche neu zusammenlegt, die geheime Polizei, die für alle sichtbar im Verborgenen arbeitet, das Verbot an Berge zu glauben usw. usf. Herrlich! Auf jeder Seite gibt es neue Absurditäten, wenn zum Beispiel Diane ihren Kopf auf Humus betten soll, um Verbrennungen zu behandeln, wenn die unzähligen Erikas (alles Engel) in leuchtender Dunkelheit agieren, wenn man für ein perfektes Grillfest nicht mehr braucht als einen Eimer voller Schlamm.

Gleichzeitig trägt die Geschichte auch viele kafkaeske Züge, etwa, wenn es unmöglich scheint, nach KING CITY zu kommen, und Taxis, Autos und Flugzeuge in Night Vale starten, aber auch da wieder ankommen. KING CITY selbst ist eine ebenso absurde Stadt, die durch die vielen Troys (der Vater von Josh) an den Abgrund getrieben wurde. Der Bürgermeister (der Mann mit dem Hirschlederkoffer) versucht verzweifelt, seine Stadt zu retten - deshalb hat er in Night Vale die Zettel mit KING CITY verteilt, um jemanden in seine Stadt zu locken, der alles wieder ins Lot rückt.

Man kann kaum alles, was in dieser Geschichte passiert und relevant ist, aufzählen, ohne das komplette Buch hier abzuschreiben - man muss sich selbst durch Night Vale bewegen. Wenn man sich darauf einlässt und sich in die Hände von Cecil (dem Radio Moderator) und den anderen verrückten Figuren dieser netten kleinen Stadt begibt, wird man nicht enttäuscht werden. Sofern man sich darauf einlassen kann.

Aber vorsicht! Auf keinen Fall die bunten Plastikflamingos berühren! Die haben es in sich!