Willkommen in Night Vale

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lunamonique Avatar

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Der Roman „Willkommen in Night Vale“ basiert auf den „Welcome to Night Vale“ Podcast-Episoden. Im Gegensatz zur Podcast-Serie wird Joseph Finks und Jeffrey Cranors Debütroman nicht in der Ich-Perspektive erzählt. Als Einleitung in die Night Vale-Welt gibt es ein interessantes Interview mit den Autoren.

Wüstenstadt Night Vale, ins Pfandhaus von Jackie Fierro kommt ein seltsamer Kunde. Er taucht wie aus dem Nichts auf und verschwindet genauso schnell wieder. Sein Pfandobjekt, eine Streifen Papier mit den Worten „King City“ darauf wird Jackie nicht los. Sie kann es so oft zerstören wie sie es will, es liegt immer wieder unversehrt in ihrer Hand. Den Namen des Papierstreifen-Besitzers vergisst sie immer wieder. Auch Diane Crayton erlebt seltsame Dinge. Ihre Kollegen Dawn und Evan sind ein paar Tage verschwunden. Nur Dawn taucht wieder auf. Angeblich war sie krank. Die Existenz von Evan wird von ihr, anderen Kollegen und der Chefin bestritten. Was geht in Night Vale vor?

Joseph Fink und Jeffrey Cranor haben einen ganz eigenen Stil perfektioniert, ihre Night Vale-Geschichte zu erzählen. In jedem Satz und jedem Abschnitt tummeln sich meistens gleich mehrere Widersprüche. Alles Erzählte wird wieder in Frage gestellt. Oft sind es die Beschreibungen, die in einer Satzschlange wieder gekippt werden. Einiges wird der eigenen Vorstellungskraft überlassen. Es fällt schwer, sich auf den Rhythmus, der keiner ist, einzulassen. Folge ist eine grenzenlose Verwirrung. Warum das Ganze? Was wollen einem die Autoren eigentlich erzählen? Fakt ist, die Wüstenstadt Night Vale unterscheidet sich massiv von anderen Städten. Abhörgeräte des Radiosenders sind in der ganzen Stadt verteilt. Selbst in Jackies Auto ist eines zu finden. Überwachungshubschrauber kreisen über Night Vale. Die Geheimpolizei des Sheriffs ist ständig präsent. Wissen ist verboten und gefährlich. Die Bibliothek und alle die dort arbeiten werden gemieden. In Jackies Pfandhaus gibt es zahllose kuriose Pfandobjekte wie ein Taschentuch mit einer Träne. Bei Gegenleistungen handelt es sich eher selten um Geld. Routine ist die einzige Sicherheit im Leben der Bewohner. Wird sie, wie bei Jackie zerstört, gerät nicht nur der einstudierte Alltag ins Wanken. Über viele Seiten lässt sich das Rätselhafte nicht genießen, weil schnell der Gedanke aufkommt, durch den merkwürdigen Erzählstil und die unzähligen Widersprüche in den Wahnsinn getrieben zu werden. Die Gewöhnung tritt nur langsam ein. Längst ist die Versuchung da, das Lesen abzubrechen und das Buch auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen. Bald werden die Widersprüche weniger und es reiht sich ein seltsames Ereignis ans andere. „Willkommen in Night Vale“ nimmt unsere Welt auf die Schippe. Überwachung, Kontrolle, Verdummung, die Bürger von Night Vale scheinen keinen eigenen Willen mehr zu haben und jede Merkwürdigkeit und Einschränkung ihres Lebens zu akzeptieren. Die Mischung aus „Die Truman Show“, „Und täglich grüßt das Murmeltier“ und „Die Götter müssen verrückt sein“ ist sehr skurril und trifft nicht jedermanns Geschmack. So ganz nebenbei geht es um Familie und Freundschaft. Der Roman schafft es, am Ende ein wenig zu berühren. Wer dem ungewöhnlichen Erzählstil etwas abgewinnen kann, der wird auch gut unterhalten.

Das Cover mit dem mysteriösen Licht lässt eine Fantasy-Geschichte vermuten. Die Details könnten auf einen Zukunftsroman hinweisen. Der Titel fällt ins Auge. Am Anfang der Geschichte fühlt sich der Leser noch in sicheren Gewässern. Besonders originell ist Jackie Fierros Pfandhaus. Allein diese Kulisse hätte die Basis für viele tolle Storys sein können.