Die Kräfte von Wind und Wasser

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gkw Avatar

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Wer im letzten Jahr "22 Bahnen" von Caroline Wahl gelesen hat, hat Ida und ihre Schwester Tilda schon kennengelernt. Damals war Ida eine etwas nerdige 9-jährige, die viel malte und nur bei Regen ins Bad ging, da sonst zu viele Leute da waren.
Inzwischen ist sie gut zehn Jahre älter und ihr Grundgefühl ist Wut, die die Gefühle von Trauer und Schuld überdeckt.
Ihre alkoholkranke Mutter ist gestorben und Ida bricht aus, muss weg, um Abstand zu gewinnen. Sie fährt nach Rügen, findet Unterschlupf bei einem älteren, netten Paar, lernt den ebenso versehrten Leif kennen und rennt durch die Gegend oder schwimmt weit hinaus, weiter als ihre Kräfte und die Wetterbedingungen es zulassen. Sie ist oft unbesonnen, überschreitet ihre physischen und psychischen Grenzen, braucht das offenbar, obwohl es manchmal Panikattacken in ihr auslöst.

Ida berichtet als Ich-Erzählerin und sie macht das sehr emotional.
Caroline Wahl hat eine sehr spezielle Erzählweise, dadurch ist man sehr dicht und intensiv an ihren Emotionen. Man spürt ihren Schmerz, ihre Wut, authentisch und ungefiltert. Caroline Wahl erzählt manchmal nüchtern und lakonisch, manchmal humorvoll, aber es ist immer sehr einfühlsam und realistisch, egal, ob es um traurige, glückliche oder auch banale Momente geht.

Es geht bei dem Roman um Trauerbewältigung und das Akzeptieren von Vergangenheit. Ida lernt, mit ihren Schuldgefühlen umzugehen und eine Zukunft zu sehen. Krankheit, Tod und Sucht sind weitere Themen der Geschichte und es gelingt der Autorin, diese negativen Inhalte so darzustellen, dass es einen nicht runterzieht, sondern eher verzaubert.

"22 Bahnen“ war im vorigen Jahr mein Jahresfavorit. „Windstärke 17“ schafft es mit Sicherheit in die „10 Besten“. Wie es genau ausgehen wird, hängt davon ab, was noch so alles kommt und was davon ich lesen werde.

FAZIT - Ein dicht und emotional erzählter Coming-of-Age Roman, den man nicht aus der Hand legen kann.