Dramaqueen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
gabriele 60 Avatar

Von

Eigentlich hatte ich mich auf die Fortsetzung von „22 Bahnen“ gefreut. Darin hatte Tilda von ihrem Leben mit der alkoholkranken Mutter erzählt. Nun erzählt Ida, wie es ihr nach dem Leben allein mit der Mutter und deren Tod ergeht Sie leidet sehr darunter, dass sie es gewagt hat, an sich zu denken und nach Prag zu fahren. Dabei ging es der Mutter schon lange schlecht. Es war nicht damit zu rechnen, dass sie ausgerechnet während dieser paar Tage die Wohnung putzt und sich mit einer Überdosis von der Welt verabschiedet. Ida ist völlig am Boden zerstört und nicht fähig, ihre Schwester zur Beerdigung zu begleiten – was ihr schlechtes Gewissen noch schwerer macht. Als Tilda mit ihrer Familie wieder zurück ist in Hamburg, kündigt Ida die Wohnung und reist so weit weg, wie es mit der Fahrkarte, die ihr die Schwester geschickt hat, möglich ist. In diesem Buch begleiten wir die junge Frau nach Rügen und tauchen in ihre Gedankenwelt ein.

Caroline Wahl lässt uns jeden Schritt der Protagonistin verfolgen. Dabei bleibt es nicht aus, dass wir mit ihr mitleiden. Zwar gibt es auch Lichtblicke in ihrem Leben, doch die halten nicht lange an. Sie tut sich schwer, auf Menschen zuzugehen, die es gut mit ihr meinen und auch ihr Schreibtalent auszuleben, ist ihr kaum möglich.
Die minutiös festgehaltenen Gedanken von Ida haben mich teilweise gelangweilt und manche Stellen kamen mir sogar aufgebläht vor. Es ist zwar kein Wunder, dass Ida traumatisiert ist und keine gute Meinung von sich hat, doch das in einem Buch nochmal haarklein zu lesen, sprach mich nicht (mehr) an. Zur Zeit bevölkern zu viele Bücher mit problematischen Geschichten den Markt. Mir wären inzwischen aufbauende Bücher sympathischer.

Zwei Stellen möchte ich herausgreifen.
1 Da geht Ida am Strand von Rügen entlang, wo nur noch ein paar nackte Badegäste sind. Es entspinnt sich ein Gespräch mit ihrer Begleitung, in dem Ida sagt, sie könne nicht so nackt herumlaufen, sie wolle nicht so viel von sich preisgeben. „Es geht niemanden was an, wie ich von außen oder von innen aussehe.“ Dabei ist das ganze Buch eine Preisgabe ihres Inneren, eine reine Nabelschau.
2 Früher hat Ida gemalt. Jetzt schreibt sie: „ Schreiben und Geschichten waren irgendwie mein Ding. Und flüchten funktionierte mit Geschichten erzählen fast noch besser als mit Lesen. Weil ich mich konzentrieren musste. Wichtig war nur, dass es nicht um mich ging.“ Doch in diesem Buch geht es aus ausschließlich um sie und ihre Gefühlslage.

Dass meine Bewertung trotz der Kritik am Inhalt des Buches nicht soo schlecht wird, liegt am guten Schreibstil der Autorin. Nur wäre es schön, wenn sie auch mal positivere Themen aufgreifen würde. Die Welt um uns herum ist schon negativ genug.