Ida auf der Flucht

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anneteekanne Avatar

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... oder vielleicht doch eher auf der Suche? Denn ihr Leben fühlt sich manchmal an wie ein Superhurrikan (Windstärke 17).

Seit 22 Bahnen sind 10-11 Jahre vergangen. Ida ist alleine bei Mama geblieben und Tilda ist mit Viktor erst nach Berlin und dann nach Hamburg gezogen. Die Ferien hat Ida immer bei den beiden verbracht. Aber trotzdem ist die Distanz zwischen ihnen immer Größe geworden. Tilda hat ihre Souveränität verloren, als Ida erwachsen geworden ist.
Aber da ist so ein Wutklumpen in meinem Bauch, der Besitz von mir ergreift und Tilda anfaucht. Und ich weiß noch nicht mal, gegen wen oder was, ob der Wutklumpen sich gegen Tilda richtet oder gegen mich oder gegen alles, und es macht mich so wütend, dass ich nicht weiß, gegen wen oder was sich der Wutklumpen richtet, dass ich mir am liebsten mit einem Brotschneidemesser jeden Finger einzeln abschneiden würde. Ganz langsam oder ganz schnell. (Seite 14)

Jetzt studiert Ida kreatives Schreiben zusammen mit ihrer Freundin Samara, aber nicht mit Herzblut. Samara hat den Job von Tilda übernommen, um Ida ein normales Leben zu bieten und sich zu kümmern. Denn Ida ist in ihrer Kindheit kaputtgegangen. Und nun ist Mama gestorben. Endlich hat sie es geschafft und Ida konnte es nicht verhindern. Deshalb leidet Ida, unter allem. Den Schuldgefühlen, der Vernachlässigung, der Verantwortung, dem Chaos, sich selbst. Und sie träumt immer wieder davon, wie sie ihre Mama findet.

Ich stelle mir vor, wie meine Wohnung aussehen würde, wenn ich eine hätte und sie mein Innenleben repräsentieren würde. Brennendes Chaos. Überall Müll. Und es regnet rein. (Seite 90)

Anstatt einen ruhigen Hafen zu finden und zu Tilda zu fahren, fährt sie nach Rügen, ans Ende der deutschen Welt. Hier begegnet sie Knut, Marianne und Leif. Und sie versucht ihr Leben zu ordnen oder sich umzubringen. Da ist man sich zwischendurch nicht wirklich sicher. Aber sie fängt wieder an zu schreiben.

Es gehörte zu meinem Leben wie schlafen oder essen, auch wenn sich das jetzt pathetischer anhört, als es war. Schreiben und Geschichten waren irgendwie meine Sprache, mein Ding. Und Flüchten funktionierte mit Geschichtenerzählen fast noch besser als mit Lesen. Weil ich mich konzentrieren musste. Wichtig war nur, dass es nie um mich ging. (Seite 137)

Ich hatte ein wenig Angst um Ida, denn wie Leif, der meint, nicht der richtige Umgang zu sein, merkt Ida, dass alle in ihrer Umgebung sterben. Das ist eine Hammeraussage für jemanden Anfang zwanzig. Und zwischendrin wäre ich gerne an Mariannes Stelle gewesen, um Hühnersuppe zu kochen und zu Ida in den Arm zu nehmen.

Hier drinnen ist es mir zu laut, zu gefährlich, die Gedanken zerschneiden mein Inneres messerscharf zu ungleich großen Gulaschklumpen. Aber ich kann nicht rausgehen. Ich kann nicht aufstehen. (Seite 122)

Aber so wie es scheint, kriegt Ida die Kurve, denn sie weiß, was mit ihr los ist.

Die Zeit mit Leif nach unserem Strandtag war so schön, dass mir richtig übel wird, wenn ich daran denke, weil mein kaputter Körper so viele positive Gefühle einfach nicht verträgt und verarbeiten kann. (Seite 77)

Fazit: fantastisches zweites Buch.