In "Windstärke 17", der bewegenden Fortsetzung von "22 Bahnen", widmet sich Caroline Wahl der Geschichte von Ida – der Schwester, die einst zurückblieb. Nach dem Auszug ihrer Schwester bleibt Ida mit der alkoholkranken Mutter und den brüchigen Überresten eines ohnehin instabilen Alltags zurück. Die Autorin zeichnet ein sensibles, unaufgeregtes Bild vom Kampf einer jungen Frau mit Trauer, Verantwortung und der Suche nach einem Ort, der sich nach Zuhause anfühlt. Wahl gelingt es auf eindringliche Weise, Idas Innenleben mit all seinen Widersprüchen zu skizzieren: Wut, Schuld, Trauer, aber auch der zarte Wunsch nach Heilung. Der tägliche Umgang mit der suchtkranken Mutter, deren eigener Schmerz kaum greifbar, aber stets spürbar ist, zehrt an Idas Kräften – bis sie schließlich nach Ihrem Tod Abstand sucht und auf Rügen ein älteres Ehepaar kennenlernt, das ihr überraschend Halt gibt. In ruhigen, poetischen Tönen erzählt Windstärke 17 von der Kraft menschlicher Verbindung – jenseits von Blutsverwandtschaft. Das Ehepaar auf Rügen wird zu einer Ersatzfamilie, die Ida nicht retten will, aber ihr erlaubt, sich selbst zu finden. In ihrer liebevollen, unkonventionellen Art schenken sie ihr genau das, was sie so lange entbehren musste: Zeit, Raum, Zuhören – und einen sicheren Hafen. Caroline Wahl bleibt ihrem Stil treu: klar, emotional, tiefgründig ohne Pathos. Windstärke 17 ist keine laute Fortsetzung, sondern eine stille, kraftvolle Erzählung über Verlust, Selbstfindung und den Mut, neue Wege zu gehen.