Zieh durch, zieh durch

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constanze_pachner Avatar

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„Im Meer schwimmen ist ganz anders als im Schwimmbad. Es ist schwierig einen Rhythmus zu finden. Aber es ist auch krass schön, ins Offene, Weite zu schwimmen, gegen die Wellen, die sich nie so bewegen, wie man denkt. Zieh durch, zieh durch. Das Wasser und ich eine Einheit, ich ein Teil vom Meer, ein erschreckend kleiner Teil vom Meer. Die Gedanken und der Schmerz laufen aus meinem Körper raus.“ (S. 25)

Ach Ida, wärst Du doch meine beste Freundin, ich wäre so glücklich, weil Wasser auch das Einzige ist, was mich beruhigen kann, was meinen manchmal aufkeimenden 'Wutklumpen' im Bauch in seine Einzelteile auflösen kann, wenn ich durchziehend eins mit ihm werde – mal mehr, mal weniger! Ach @carowahl danke für #windstärke17 - dieses meisterhafte Kunstwerk an Roman der mit seiner Wucht #22bahnen noch einmal übertrumpft, und ihn trotzdem gleichzeitig huldigt, indem er ihn in wallenden Böen über den Ostseehimmel Rügens als verschleierte Wolken ziehen lässt.

Wie schafft man es nur, eine solch sprudelnde Ehrlichkeit in seine Erzählstimme zu legen, die wie ein Pulverfass kurz vor der Explosion dann doch auf einmal Halt macht, um ein Warten zu versuchen? Ein Warten auf sich, auf den Regen - vergeblich?, das müsst Ihr selbst lesen.
Wie kann man nur in solch einfacher Klarheit vom Reichtum der Emotionen schreiben – mitnichten umschweifend, eher konzentriert auf die Brutalität eines Schmerzes im Inneren eines leidenden Menschen?

Der Ida-Style, der mit seinem versteckt humorvollen Klang die zerstreuende Wildnis, die im Leben wuchert, auf den Punkt bringt, ohne ihn im Grunde einzufangen, hat mich in eine nimmer endende Break-Dance-Fahrt versetzt, in der ich selbst noch nach der Lektüre meine Haare johlend dem Fahrtwind überlasse.
Ich weiß nun, dass gewisse Muscheln, die ich mit meiner Jojo, meiner geliebten Nordseeomi auflas, ‚Gemeine Herzmuscheln‘ heißen, und ich werde dies nie vergessen, denn ja Ida, dieser Name ist nicht zu toppen. Wenn Ihr wissen wollt, wieso und weshalb, dann lest los!

Die Erzählstimmen ‚Tilda‘ und ‚Ida‘, gehören zu den authentischsten, die mir bis jetzt in der literarischen Welt begegnet sind. Ob man da mehr bei Tilda oder mehr bei Ida ist, spielt eine untergeordnete Rolle, denn beide sind so unglaublich wahrhaftig en Point und dennoch auf ihre ganz eigene Weise verspielt, wie zum einen die brausenden Wellen des Meeres und zum anderen der betörend süchtig machende Duft des Chlors. Du stehst da, du atmest Wörter ein, du nimmst tauchend, schlauchend, kraulend jeden Moment dieser Welten mit der individuellen Bewegung deiner Muskeln wahr.

Selten kullern mir Tränen, das letzte Mal gelang dies Benedict Wells mit #vomeendedereinsamkeit , nun ist es @carolinewahl mit ihrem neuen Roman gelungen. Was ein fundiertes Talent! #jahreshighlight – unbedingt lesen!

Liebsten Dank an @dumontbuchverlag für das #rezensionsexemplar

Klappentext:
„Eigentlich ist Ida nur aus Versehen auf Rügen gestrandet. Aber wenn sie sich in die Wellen schmeißt und bis zur Erschöpfung krault, wird das Brüllen in ihrem Kopf leiser. Doch nicht einmal die Ostsee kommt gegen den Klumpen aus Wut, Trauer und Schuld an, den Ida mit sich rumschleppt. Sie konnte ihre Mutter nicht retten und mit ihrer Schwester Tilda spricht sie auch nicht mehr. Als Marianne und Knut Ida bei sich aufnehmen und sie auf Leif trifft, lässt sich das Leben ein bisschen besser ertragen. Bis Idas Welt wieder ins Wanken gerät und sie sich entscheiden muss: abhauen oder bleiben?“