Die Twenties in München: nicht so "roaring", eher politisch

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tochteralice Avatar

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und natürlich voll von Verbrechen, wie Angelika Fellenda in ihrem zweiten Krimi um den Kommissär Reitmeyer zu berichten weiß. Mit ihm hat die Autorin eine Figur geschaffen, die ich mir als repräsentativ für die frühen 1920er vorstelle: eine gewissermaßen tragische Gestalt, ein Rückkehrer aus dem "Großen Krieg", der seine Traumata verarbeiten muss, nichtsdestotrotz jedoch versucht, ein "normales" Leben zu führen, soweit man das als Kriminalpolizist eben kann.

Ich lese gerne historische Krimis, gerne auch gerade aus den 1920ern und bin da bislang meist in Berlin steckengeblieben, wo Susanne Goga mit ihrem Leo Wechsler meine ungekrönte Kaiserin ist. Angelika Fellenda kann da sehr gut mithalten, wie ich finde, wird doch der Standort München und der etwas frühere Zeitraum sehr lebensnah und atmosphärisch dargestellt. Historische Romane aus München und der Umgebung kenne und liebe ich allen voran von Brigitte Riebe, aber auch Heidi Rehn und Tanja Weber haben fesselnde Bücher geschrieben. Nun gibt Fellenda dem ganzen noch ordentlich Spannung hinzu, denn ein fieser Frauenmörder treibt sein Unwesen in der Isarmetropole - zwei Opfer hat er bereits auf dem Gewissen und es werden möglicherweise mehr, wenn Reitmeyer nicht schnell genug handelt.

München war unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg ein sehr politisches Pflaster und das lässt die Autorin ihre Leser quasi auf Schritt und Tritt spüren. Aber auch der Alltag - in diesen Jahren vor allem dessen Nöte - kommen stets zur Sprache und so genießt der Leser hier ein spannendes und anschauliches Werk, das ich von Herzen weiterempfehle. Die 1920er stehen hier in großem Gegensatz zu dem Schillernden, den roaring Twenties, wie man sie aus Berlin kennt, wo neben dem Elend Glamour exisistierte. Hier sind es eher Parteibücher diverser extremer Strömungen!