Gewitter ziehen auf

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Bereits einmal ließ Angelika Felenda ihren Kommisär Reitmeyer im krisengeschüttelten München ermitteln, nämlich im Fall Der eiserne Sommer. Damals dräute der Erste Weltkrieg und in der Landeshauptstadt München brodelte es. Nachdem am Ende des Buchs der Kommisär seinen Einzugsbefehl an die Front erhielt, ist er nun nach sechs Jahren wieder zurück in München. Als Kriegszitterer hat er einige Traumata aus dem Krieg mitgebracht und versucht die Erinnerungen mit Geigenspiel zu verjagen.

Doch auch zwei Jahre nach Kriegsende kommt die Landeshauptstadt nicht zur Ruhe. Bürgerwehren patrouillieren auf den Straßen, die rechten und das linken Lager tragen blutig ihre Fehden aus und der verlorene Weltkrieg hängt wie ein Damoklesschwert über dem Land. Sehr angespannte Zustände also, in denen sich München befindet. Der neue Fall für den Ermittler Reitmeyer nimmt sich allerdings erst einmal ganz unpolitisch aus. Eine junge Kellnerin namens Cilly Ortlieb wurde tot im Keller eines Gasthauses aufgefunden. Recht schnell steht der Tathergang fest. Das Mädchen wurde mit einer Heroinspritze ermordet. Das alleine würde kaum Aufsehen erregen, doch schon bald wird eine weitere junge Frau tot auf einer Parkbank sitzend aufgefunden. Der Modus Operandi des Täters ist identisch. Was ist das Motiv des Täters? Die Suche nach Erkenntnis führt den Kommisär in die Palais von Adeligen, bringt ihn mit der rechten Einwohnerwehr in Kontakt und wird schließlich zu einem Wettlauf gegen die Zeit.

Angelika Felenda erzählt Wintergewitter aus zwei Perspektiven. Zum Einen ist da natürlich der Kommisär Reitmeyer, der sich mithilfe seiner teilweise invaliden Mannschaft durch die verschiedenen Milieus kämpft. Zum Anderen beleuchtet sie das Geschehen aus der Warte von Gerti, einem jungen Mädchen, das mit den beiden Mordopfern befreundet war, und die ebenfalls nach der Wahrheit sucht. So ermitteln diese beiden Figuren parallel und kommen jede auf ihre eigene Art und Weise den Geschehnissen näher, die zum Tod der beiden jungen Frauen in München führten.

Bei aller Akribie und historischen Grundausstattung des Romans vergisst Angelika Felenda leider etwas die Spannung, was gerade in der Mitte des Romans zu einem Durchhänger führt. Trotz der zwei Perspektiven lässt der Krimi an manchen Stellen Tempo und Suspense vermissen. Dies ist schade, da dies durch eine tiefere und plastischere Figurenzeichnung hätte ausgeglichen werden können. Doch auch hier lässt Felenda Punkte liegen. Ein Mehr an Nuancen und Komplexität in puncto Charaktere hätte dem Buch gutgetan. So vermisst man die Tiefe bei Felendas Personal.

Schön gemacht hingegen sind die historischen Skizzierungen und Schilderungen, die die Autorin beschreibt. Erschreckend aktuell nehmen sich viele Grabenkämpfe aus, die auch schon vor hundert Jahren die Schlagzeilen und das Tagesgespräch beherrschten. Den aufkommende Nationalsozialismus weiß die Autorin gut einzufangen, Szenen wie den Hitler-Auftritt im Löwenbräukeller oder Begegnungen mit Gestalteten wie Ernst Röhm flicht sie in die Handlung ein. Positiv sollten hier auch die Anmerkungen genannt werden, die dem Roman nachgestellt sind. Sie erläutern die wichtigsten historischen Hintergründe und helfen bei der Einordnung. Wie auch schon in Der eiserne Sommer ist dieser Zeitkolorit höchst gelungen, auch wenn der Plot eine Straffung und die Figuren mehr Lebendigkeit vertragen hätte. Für Fans von historischen Krimis allemal ein Blick wert!