Das Leben auf verschiedenen Planeten

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lesefee65 Avatar

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Owen Metthews schreibt auf der Suche nach der Identität seiner Eltern, Großeltern und sich selbst eine Geschichte, die die politische Entwicklung ab der russischen Revolution bis in die Gegenwart nachzeichnet und so durch die Verknüpfung mit den Schicksalen einen tiefen Einblick in die "russische Seele" des 20. Jahrhunderts bietet.
Besonders die Geschichte seiner russischen Mutter Mila ist stark mit den politischen Wandlungen verknüpft; ihr Schicksal zeichnet eine schmerzvolle Kindheit sowie Entwicklung zu einer
charakterstarken jungen Frau nach. Ihre Liebe zu dem Engländer Mervyn mündet erst nach langem Kampf gegen alle politischen Widrigkeiten in eine Ehe, die nach 6 langen Jahren der Trennung endlich ihr Glück findet.
Mervyns Bemühungen um Mila sind überwältigend: als junger russlandliebender Student lebt er in Moskau einen langersehnten Traum, lernt Land und Leute kennen und lieben, wird dann vom KGB angeworben ...und lehnt das Angebot ab. Dies ist der Schlussstrich für seine weiteren Ambitionen in Russland. Das spürt er besonders, nachdem er in Mila die Frau fürs Leben gefunden zu haben scheint. Er muss Russland verlassen und kämpft 6 Jahre lang verbissen darum, Mila nach England zu bringen. Mit viel Fantasie und mit konventionellen und unorthodoxen Mitteln geht er dabei ans Werk, seine Bemühungen sind begleitet von Einsamkeit, Ängsten , ja schierer Verzweiflung, vom Verlust seines Jobs an der renomierten Hochschule in Oxford gekrönt.
Ein reger Briefwechsel und 14-tägige Telefonate halten die Beziehung am Leben ; so intensiv, dass ein geplantes Telefonat in einer Telefonzelle für Mila zu "einem Rendezvous mit einem wunderschönen Mann" ( S. 284 Zl. 9) wird. 1969 kommt es dann offiziel zu einem Austausch von Geheimdienstmittarbeitern zwischen England und Russland, auf politischer Ebene ausgehandelt, in dessen Anhang als eine Bedingung auch Mila aus Russland "herausgeholt" wird.
Owen Matthews schreibt diese Geschichte verknüpft mit seinen eigenen Eindrücken und Erlebnissen, die er als junger Journalist in Moskau macht. Er bedient sich dabei der Briefe, die ihm zur Recherche wohl von seinen Eltern zur Verfügung stehen sowie den vielen persönlichen Gesprächen in der Verwandschaft. So schafft er es, ein großes Familiendrama , mit Leben und tiefen Gefühlen angefüllt, in einer Zeit zu schreiben, die eine Generation vor im liegt. Und er verherrlicht nicht, dass es seinen Eltern "nach einem Leben als Schauspieler in einem großen Drama" schwer fiel, "einfach wieder menschlich zu sein" (S. 362 Zl.18-20). Die Beziehung geht in England nicht so glatt weiter, Owen selbst erlebt seinen Vater zunehmend als einsamen Mann (S. 375 Zl. 22-24), der sich immer mehr zurücknimmt. Doch Owens Blick auf seine Eltern ist versöhnlich und warm. Die väterliche Umarmung in der Datscha in Russland ( S. 379 Zl.1-4) ist ein zärtlicher Beweis dessen Liebe zu Owen..und Owens "letztes Bild" (S. 379 Zl.6.) gilt seiner Mutter, die mit seinem Sohn Seil springt.... liebevoll und wunderbar.