Dies ist absolut kein Spiel!...... dämmerte es ihm endlich

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clara_fall Avatar

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Zu dieser schmerzlichen Einsicht muss Owen Matthews Familie immer wieder schon seit Generationen kommen. Damit begonnen hatte es bei seinem Großvater Boris Bibikow - einst ein glühender Kommunist und Miterbauer der Traktorenstadt Charkow, doch über Nacht durch Intrigen zu einem Vaterlandsverräter abgestempelt und dem Tode geweiht. Das kostet den beiden Töchtern Lenina und Ljudmila nicht nur den Vater, sondern auch die Mutter, die ebenfalls des Verrats beschuldigt und zu jahrelanger Lagerhaft verurteilt wird. Von Stund an sind die beiden Mädchen unter der strengen Hand von Vater Stalin. Eine Odyssee durch verschiedenste staatliche Kinderheime und baldige Trennung der Geschwister bestimmt über Jahre ihr Leben und bedeutet für sie der Verlust jeglicher Vorstellung einer glücklichen Familie voller Wärme und Geborgenheit. Einzig die Umstände meinen es gut mit ihnen, dass sie durch Zufall wieder zusammenkommen und Lenina, bald schon selbst Ehefrau und Mutter, noch viele Jahre ihre durch schwere Krankheit gezeichnete Schwester versorgen muss. Während ihrer Studienzeit lernt Ljudmila den Briten Mervyn Matthews kennen und schnell stellen beide eine unerschütterliche Seelenverwandtschaft fest, denn auch Mervyn hat eine lieblose Kindheit hinter sich, ohne väterliche Anerkennung und Verständnis. Beide sind durch dieses unsichtbare Band untrennbar verbunden, selbst als der unbezwingbare russische Moloch beiden die Ehe verwehrt und Mervyn des Landes verwiesen wird. In den kommenden fünf Jahren sind es nur Briefe und einige wenige verschwiegene Besuche, um miteinander zu kommunizieren und die Sehnsucht erträglich zu machen. Mervyn lässt nichts unversucht, Ljudmila nach Großbritannien zu holen, doch erst der letzte verzweifelte Versuch hat Erfolg. Nach einer Blitzhochzeit in Moskau müssen beide sofort wieder ausreisen. Beiden wird erst jetzt schmerzlich bewusst, was dieses neue Leben für sie bedeutet. Ljudmila plagt schweres Heimweh und plötzlich sind sie von einer unerträglichen Sprachlosigkeit befallen, die ihnen künftig ein normales Familienleben unmöglich machen wird. Sie werden Eltern von Owen und Emily, doch auch das bringt sie nicht zu einer echten Familie zusammen. Auch wenn ihnen inzwischen die Reise nach Russland wieder möglich ist, so ist auch dort keine echte Heimat mehr zu finden.
Diese schweren Leidensgeschichten in der Familienchronik macht auch dem Autor bereits als jungen Mann schwer zu schaffen. Schon bald zieht es ihn beruflich nach Russland, wo er ein rastloses, dekadentes Leben als Kriegsberichterstatter führt und eigene traumatische Erfahrungen macht. Ebenso wie Mervyn vergeblich nach väterlicher Anerkennung suchte, so verspürt auch Owen dies seit Jugendtagen an - vergeblich sucht er nach Verständnis für seine Fantasien und Lebensanschauungen. Erst Jahre später kann er auf eine angedeutete Versöhnung hoffen.

Leider haben mich Matthews Schilderungen kaum berührt. Er hat eine seltsame Sicht auf die Dinge des Lebens, seine Einschätzungen haben mich oft verwirrt. Die Jahre seiner Mutter und Tante im Kinderheim kann er noch recht ergreifend beschreiben, doch dann folgt die Schilderung einer kaum glaubhaften Naivität seines Vaters während seiner Jahre in Russland. Sollte er wirklich so dumm gewesen sein und die Anwerbeversuche des KGB nicht verstanden haben? Sein Spiel mit dem Feuer ohne größere Konsequenzen erscheint in der Erzählung seines Sohnes zynisch und als späte Abrechnung mit dem Vater. Auszüge aus den Liebesbriefen in den Jahren der Trennung werden schnell langatmig und gehen nicht wirklich zu Herzen. Vergleiche aus seinem eigenen Erlebten lassen manchmal ganz vorsichtig Verständnis anklingen, jedoch geht es leider zu oft wieder in Belanglosigkeiten unter. Allein durch Fotos ist es mir als Leserin zeitweise gelungen, eine Beziehung zu den Protakonisten aufzubauen. Eigentlich habe ich großes Interesse für dieses historische Kapitel in der Geschichte der Menschheit, jedoch wird mir dieses Buch nicht lange in Erinnerung bleiben. Das konnten andere Bücher wesentlich besser.
Außerdem sind einige Passagen seltsam übersetzt bzw. sorgen Druckfehler für Verwirrung. Das Cover ist genauso unscheinbar gestaltet wie der Inhalt des Buches. Hätte mehr erwartet!