Winterkinder

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astrid Avatar

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In diesem Roman erzählt der Autor Owen Matthews seine tragische, bewegende Familiengeschichte, geprägt von der politischen Situation im Russland des 21. Jahrhunderts. Owen Matthews schildert zunächst die Geschichte seiner Großeltern, wie sein Großvater Stalins Säuberungen zum Opfer fiel und seine Großmutter daraufhin in ein Arbeitslager gebracht wurde, sodass ihre beiden Kinder Lenina und Ljudmilla ihre Kindheit in einem Waisenhaus verbringen mussten. Es handelt sich hier um eine schwere Kindheit und Jugend, in Zeiten des Zweiten Weltkriegs, doch Lenina und Mila überleben und entwickeln einen unglaublichen Kampfgeist. Dieser lässt Mila sechs Jahre Trennung von ihrer großen Liebe Mervyn Matthews überstehen, einem Engländer, der kurz vor ihrer Hochzeit des Landes verwiesen wird und dem es erst sechs Jahre später gelingt Mila nach Großbritannien zu holen. Eine verzweifelte Liebe in Zeiten des Kalten Krieges, von der letztendlich nur ein alter Überseekoffer auf dem Dachboden übrigbleibt...

Der Roman „Winterkinder“ hat mir sehr gut gefallen, obwohl er zwischenzeitlich einige Längen hat, vor allem die Passagen über Boris Bibikows Leben erinnern zum Teil an die Lektüre eines Geschichtsbuchs, weshalb ich gut verstehen kann, dass dieser in der Leseprobe vom Verlag ausgelassen wurde... Das Buch ist zum Teil in einem nüchternen, distanzierten Tonfall geschrieben, der sich mit einem andererseits sehr emotionalen Tonfall abwechselt. Dies zeigt, dass es sich hier nicht nur um eine Familiengeschichte, sondern auch um ein Stück russischer Geschichte handelt, dem der Autor offensichtlich möglichst gerecht werden will. Der Schreibstil des Autors hat mir sehr gut gefallen, schon dadurch ist dieser Roman lesenswert.
Es scheint als würde Owen Matthews seine Vergangenheit und das Verhältnis zur eigenen Familie in diesem Roman verarbeiten. Dabei wird deutlich, dass er sich im Grunde weniger als Teil der Geschichte sieht, als als unabhängiger Journalist, eine Ansicht, die offenbar schnell ins Wanken geraten ist, als er sich mehr mit der Vergangenheit seiner Familie auseinandersetzt.
Leider hat mir der zum Teil abrupte Wechsel zwischen der Schilderung seiner eigenen und der Erlebnisse seiner Eltern nicht gut gefallen, da dies manchmal etwas verwirrend war.

Alles in allem hat mich dieser Roman sehr beeindruckt, vor allem die unermüdliche Energie die Mervyn aufbringt, um seine Mila nach Großbritannien zu holen und die Unerschütterlichkeit ihrer Liebe. Gleichzeitig fand ist es unglaublich traurig zu erkennen, dass ihnen ihre Liebe letztendlich abhanden kommt, weil offenbar all ihre Gefühle füreinander in ihre Briefe geflossen sind und das Ideal ihrer Liebe der Realität nicht standhält.
Owen Matthews schafft es den Zeitgeist eines ganzen Jahrhunderts russischer Geschichte einzufangen, indem er die Geschichte seiner Familie erzählt, die alle Schrecken des letzten Jahrhunderts in Russland erleben musste und doch so tief in diesem Land verwurzelt ist. Dieser Roman ist absolut lesenswert.