Bavaria im Winterkrieg

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bavaria123 Avatar

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Aufgrund des ansehnlich gestalteten Covers mit seinen grellen Farben sticht das Buch auf jeden Fall ins Auge. Ich finde das Äußere schon arg gut gelungen.

Warum trägt dann so ein geschmackvolles Buch dann den eher tristen Titel Winterkrieg? Nun, was sich der Autor direkt dabei gedacht hat, weiß ich nicht. Aber sicher nimmt er Parallelen zu dem Krieg auf, der 1939 / 1940 zwischen Finnland und Russland ausgetragen wurde. Da gab es weder Sieger noch Verlierer und er beanspruchte den Zeitraum von November bis März.

Im Debütroman von Philip Teir geht es nicht um einen Krieg zwischen Ländern, sondern um das alltägliche zwischenmenschliche Zusammenleben. Auch hier betrifft es vorwiegend die Zeitspanne von November bis März. Angehängt wurde dann aber noch eine Begebenheit im Juni, die ich allerdings für vollkommen überflüssig ansehe.

Der Leser lernt die Familie Paul kennen, die in Helsinki beheimatet ist. Max ist Soziologe und wird als Sex-Experte genannt, da er vor 25 Jahren ein entsprechendes Buch geschrieben hat. Er ist nun 60 und erlebt eine verspätete Midlife Krise. Mit einer Affäre und gelegentlichem Sport versucht er, diese zu überstehen.

Seine dominante Frau Katriina arbeitet in einem Dienstleistungsunternehmen der Gesundheitsbranche. Auch sie steckt in der Krise. Diese versucht sie ihrerseits mit Alkohol zu vertreiben.

Die Töchter Helen und Eva haben ihre Leben sehr unterschiedlich eingerichtet. Helen ist verheiratet, zweifache Mutter und als Lehrerin ganztägig berufstätig. Eva ist mit Ende 20 nach London gezogen um dort Kunst zu studieren und weiß so recht noch nicht, wie sie ihr Leben weiter gestalten wird.

Allein mit der Darstellung der Personen wird bewusst, dass der Autor sich gern Gegensätzen bedient. Das ansprechende Buchcover mit dem traurigen Titel. Ein Soziologe, der in zwischenmenschliche Schwierigkeiten gerät. Eine Frau, die im Gesundheitswesen arbeitet und sich regelmäßig Alkohol gönnt. Eine chaotische Tochter und eine, deren Leben exakt getaktet ist.

Teir hat einen gesellschaftskritischen Roman geschrieben, der von der sich einschleichenden Gleichgültigkeit in der Ehe, in der Familie und im Freundeskreis berichtet. Das macht er mit leichtem Tiefgang und durchaus unterhaltsam. Spannung kommt sicher keine auf, eher Ironie.
Und wie im Winterkrieg gibt es weder Sieger noch Besiegte, sondern nur Verlierer.

Was mich persönlich zu einem Schmunzeln gebracht hat, war die Tatsache, dass es auch eine Marika in diesem Buch gibt. Sie hat zwar nur eine ganz kleine Rolle, aber es ist schon nett, den eigenen Namen in einem Buch zu finden.

Sprachlich hat mir das Buch sehr gefallen, allerdings müsste es an manchen Stellen doch noch mal nachgebessert werden. So beispielsweise auf Seite 263, wo aus Max plötzlich „Edvard“ wird (so heißt der Hund der Familie Paul). Oder auf Seite 313, da müsste es „Ihre“ Mutter heißen, es steht aber nur „Ihr“ Mutter da. Mich stört so etwas in einem Buch einfach.

Wer ein gesellschaftskritisches, schön verfasstes Buch über Ehealltag und Familie lesen will und keine Spannung und extremen Tiefgang erwartet, dem empfehle ich das Buch gern weiter. Ich ziehe aber aufgrund der angesprochenen Makel einen Stern ab.
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