Schonungslos ehrlich

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suse9 Avatar

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Selten findet man Bücher, bei denen sowohl Cover, Titel als auch Inhalt eine Einheit bilden. Ich bin begeistert, dass dem Verlag dies bei „Winterkrieg“ gelungen ist.

 

Ein paar Monate nur begleiten wir die Familie um den Soziologen Max. Ein paar Monate, die gezeichnet sind durch äußere und innere Kälte, Alkohol, Begierde und Frust. Dabei begegnen wir Katriina, die stets in Bewegung ist und dabei den Blick auf das Wesentliche verloren hat. Ihre Tochter Helene scheint das Glück mit ihrem Ehemann und den 2 Kindern gefunden zu haben, während Eva noch auf der Suche danach ist. Der erfolgreiche Max buhlt als unverstandener Mann, Vater und Opa um die Gunst des Lesers, die ich ihm jedoch nicht entgegenbringen kann. Und das zieht sich auch durch das ganze  Buch. Man sucht vergebens nach Sympathieträgern, findet diese gerade noch in den Kindern. Alle Charaktere haben eine Seite an sich, die ich nachvollziehen und verstehen kann, jedoch handeln sie auch so, dass die Sympathiepunkte recht schnell aufgebraucht sind. Ich treffe auf eine Familie, die viel redet aber oft das Wesentliche nicht sagt – eine richtige Familie eben.

 

Das Buch „Winterkrieg“ liest sich gut weg, der Schreibstil ist angenehm, wenn auch nicht außergewöhnlich. Was ist also das Besondere dieses Romans? Er ist ehrlich, schonungslos ehrlich. Wer an Sätze glaubt wie: „…und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende…“, ist hier falsch aufgehoben. 30 Jahre Ehe bedeuten nicht nur 30 Jahre Glück und Zufriedenheit. Eher findet man Kampf um jeden Tag, Anstrengung, Kompromisse, Verletztsein. Natürlich auch Geborgenheit, Zärtlichkeit, Verzeihen, Freude – aber eben nicht nur. Und das macht „Winterkrieg“ deutlich. Mir gefällt es, wie genau der Autor zwischenmenschliche Beziehungen beobachtet und zu Papier bringt. Oft musste ich beim Lesen auch schmunzeln, nur zu vertraut schienen einige Passagen, Charaktere zu sein. Untypisch für mich sind nun ein paar unterstrichene Sätze in meinem Exemplar zu finden, denn ich musste einfach Zustimmung signalisieren. Der Autor versteht es geschickt, Probleme anzusprechen, ohne dabei auf die Mitleidsschiene zu rutschen. Letztendlich macht er deutlich, dass jeder für sich selbst entscheiden muss, wohin er gehen will.

 

„Winterkrieg“ ist ein unglaublich schonungsloses, ehrliches Buch, das zum Nachdenken anregt. Nur ein kleiner Einblick in das Leben einer Familie wird uns gewährt, aber dieser lohnt sich, darüber zu diskutieren.

 

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Keine Kuschelgeschichte für Kerzenscheinabende, aber gut beobachtet und interessant zu Papier gebracht.