Ein echtes Wohlfühlbuch!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
aerdna Avatar

Von

Ein tolles Buch, wie ein warmer Mantel oder die Lieblingskuscheldecke an einem kalten Wintertag.

„Wintern“ wurde auf vorablesen.de vorgestellt und hat mich direkt neugierig gemacht. Im Rahmen einer Rezension habe ich es dann gewonnen und bin begeistert.

Schon das Cover hat mir ein Gefühl von Gemütlichkeit und Winter-Sehnsucht vermittelt. Eine einsame Hütte in einer verschneiten Landschaft mit Tannenbäumen und Wintersonne vor dem Hintergrund der Berge - da denkt man sofort an die besten Erinnerungen an die schönsten Wintertage und daran, sich in eine warme Decke gewickelt vor den Ofen zu kuscheln.
Rosa- und Beigetöne, ein Cover aus robustem, flexiblen Karton mit seidenmatter Folierung geschützt und angenehmer Struktur, halb glatt, halb rauh - gute Buch-Designs werden viel zu selten gewürdigt!
Dieses fühlt sich von Anfang an irgendwie gemütlich an, ein richtiges Wohlfühlbuch - das man auch an an einem sonnig-verschneiten Wintertag mit auf den Waldspaziergang nehmen könnte, weil ihm ein paar Schneeflocken nichts ausmachen.
Es macht Freude es anzusehen, zu befühlen und sich in aller Ruhe in das Lesen zu versenken.

Und sinngemäß geht es genau darum inhaltlich.

Zugegeben: die Einleitung ist eine sehr ausführliche persönliche Herleitung der Autorin zu ihrem Thema. Mir ist sie viel zu lang und kommt eher einer biografischen Beschreibung gleich, als einer kurzen, knackigen Hinführung zum Inhalt. Man kann sie aber prima überfliegen und überblättern, ohne allzu viel wesentliches zu verpassen.

Auch der eher nüchtern-sachliche Erzählstil, der sich durch das gesamte Buch zieht, will angenommen werden; man merkt deutlich, dass die Autorin aus einer wissenschaftlichen Orientierung heraus, forschend, an ihr Thema herangegangen ist.

Für Diejenigen, die die Serie Bones kennen, dürfte eine Assoziation mit deren Hauptfigur nahe liegen - die ich persönlich liebe und als erfrischend herzlich-unkonventionell ins Herz geschlossen habe.
Freundet man sich damit an, ist das Buch ein echtes Highlight.

Bei mir ist sofort Interesse aufgeploppt, weil das Buch sich damit beschäftigt, seine Einstellung zum Winter zu ändern, statt ihn anders haben zu wollen, als er ist. Obwohl ich den Winter liebe, schlägt auch mir das andauernd dunkle, nasse und kalte Wetter irgendwann mal auf's Gemüt und ganz besonders die Menschen, die schon im Herbst laufend beklagen, dass „jetzt schon wieder Winter“ ist und fortan minutiös ihr miserables Befinden, sowohl vorausschauend als auch echtzeitlich, ungefragt in Dauerschleife kundtun. Was für mich der eigentliche Overkill im Herbst und Winter ist!

Kari Leibowitz hat hier ein Buch geschrieben, das eine totale Entschleunigung anbietet. Ihr Schreibstil, der auch eigene Schwächen mutig ehrlich benennt, ihre Vorschläge für Perspektivwechsel und vor allem mehrere Listen mit konkret umsetzbaren Tips tun einfach gut.

Sie bietet das an, was seit Jahren in allen Medien tausendsassahaft postuliert - und im Winter immer vergessen wird: Achtsamkeit.
Wundersam, wie präsent uns dieses Thema immer und überall in allen Lebensbereichen ist und wie sehr wir es im Winter allzu schnell ausklammern und unserer Nörgeligkeit frönen - eben dann, wenn es etwas unbequemer wird, dran zu bleiben.
Das genau braucht es aber für eine positiv erlebte Winterzeit.

Die Autorin erinnert daran, dass der Winter eine Zeit der Entschleunigung ist, des Zur-Ruhe-Kommens. Eine Zeit der Kontemplation und der Rituale. Es liegt in unserer Natur, in dieser Zeit stiller zu werden, langsamer, reflektierter. So, wie die Natur zur Ruhe kommt, eine Pause einlegt, um Kraft zu sammeln, Neues zu schaffen, gehört das auch für uns - als Teil dieser Natur - dazu. Allein schon für unsere Körper, die in dieser Zeit anders funktionieren, als in den wärmeren, helleren Jahreszeiten.
Das Lesen tut einfach gut. Sich dessen wieder gewahr zu werden und sich vor allem auch die Erlaubnis zu geben, weniger schaffen zu müssen, langsamer werden zu dürfen, Stille zu genießen, Momente und Räume nur für sich aber auch für bewusste Begegnung zu schaffen und sich selbst liebevoll zu umsorgen, klingt ja eigentlich erst einmal selbstverständlich, aber wer tut das heute noch wirklich?

Die Tips sind einfache Selbstverständlichkeiten, keine weltbewegend neuen Konzepte, die jeder kennt und ohne große Anstrengung schnell und effektiv umsetzen kann - die wir nur eben in unserem Alltag schnellstens vergessen und immer wieder aufschieben, wo sie doch eigentlich bemerkenswerte Verbesserungen herbeiführen.
Unsere (Ur-)Großmütter würden weise lächelnd nicken.