Wissenschaftlich fundiertes Sachbuch für eine neue Einstellung zum Winter

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Kari Leibowitz hat Psychologie studiert und forscht in diesem Bereich zum Thema Wohlbefinden und Positive Psychologie. Für ihr Dissertationsprojekt hat sie sich das Ziel gesetzt, zu erforschen, was man gegen saisonale Depression machen kann - ein in den USA wichtiges Thema, von dem sie annimmt, dass es viel mit dem Winter zu tun hätte. Der Winter ist eine Jahreszeit, die sie und viele Menschen in ihrem Umfeld immer als äußerst unangenehm wahrgenommen haben, und deshalb nur im Sommer so richtig aufgelebt sind. Daraus folgert sie, dass saisonale Depressionen in Gegenden, die extrem lange und harte Winter erleben, noch viel stärker ausgeprägt sein müssten. Umso größer ist ihr Erstaunen, als sie bei einem Forschungsaufenthalt in Tromso in Nordnorwegen entdeckt, dass das nicht so ist. Zwar gibt es auch dort saisonale Depressionen, doch in einem weit geringeren Ausmaß, als sie erwartet hätte.

Angespornt von dieser neuen Erkenntnis macht die junge Frau sich auf die Suche nach dem, was den Unterschied macht: wie kommt es, dass für manche Menschen der Winter keine Belastung darstellt oder sie diesen gut akzeptierne können oder sich sogar auf diesen freuen oder ihn lieben? Und was können wir daraus an Erkenntnissen für unser eigenes Leben mitnehmen, gerade, wenn der Winter bisher eine schwierige Jahreszeit für uns war? Empirisch fundiert, basierend auf der Analyse bisheriger Studien sowie auf den Ergebnissen eigener Interviews mit Menschen in nördlichen Regionen, stellt die Forscherin in diesem Buch ihre Ergebnisse dar.

Wissenschaftliche Studien, deren Ablauf und Ergebnisse werden immer wieder ausführlich geschildert. Das ist speziell für einschlägig vorgebildete sowie an Wissenschaft interessierte Menschen aufschlussreich zu lesen. Zwar gibt es auch viele persönliche Erfahrungen und Praxistipps am Ende jedes Kapitels, doch empfehle ich dieses Buch eher Menschen, die gerne auch anspruchsvollere Sachbücher lesen, da es kein reiner Ratgeber ist, sondern ein Sachbuch auf höherem Niveau.

Wenn man sich darauf einlässt, kann man aber viel darüber lernen, was für einen Unterschied die Einstellung zum Winter machen kann: hilfreiche Faktoren sind zum Beispiel, es sich bewusst gemütlich zu machen, sich auch körperlich und psychisch auf mehr Ruhe einzustellen, sich mehr Schlaf zu erlauben, auch bei Kälte so viel Zeit wie möglich in Bewegung bei Tageslicht an der frischen Luft zu verbringen, den Winter nicht als große Einheit zu sehen, sondern ihn in Zwischenjahreszeiten (Herbst-Winter, Winter, Frühling-Winter) einzuteilen oder Rituale und Feste in dieser Zeit bewusst zu zelebrieren. Ich, die ich den Winter schon bisher als Ruhe- und Rückzugszeit sehr geschätzt habe, habe in den Tipps vieles von dem gefunden, was ich ohnehin schon länger praktiziere.

Auch die Rolle gesellschaftlicher und infrastruktureller Faktoren wird erwähnt: so ist es etwa in den skandinavischen Ländern selbstverständlich, auch im Winter und bei Kälte das Haus zu verlassen, die Schneeräumung funktioniert dort schnell und effizient und es gibt teilweise sogar beheizte Gehsteige, beleuchtete Langlaufloipen und erschwingliche, qualitativ hochwertige Funktionskleidung für den Winter. Zeit an der frischen Luft zu verbringen wird als gesund und selbstverständlich angesehen, gerade für Kinder und auch bei Minusgraden.

Insgesamt ist es ein interessantes und wertvolles Buch, das aufgeschlossenen und gut gebildeten, an wissenschaftlichen Ergebnissen interessierten Menschen helfen kann, mehr über dieses Thema zu lernen und gleichzeitig die eigene Einstellung zum Winter kritisch zu reflektieren.