Fesselnd und berührend

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magdas_buecherwelt Avatar

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Wir sehen uns wieder am Meer ist der letzte Teil einer Trilogie, die Trude Teige über Großmutter Tekla, ihren Ehemann Konrad und ihre Freundinnen Birgit, Nadia und Annelise geschrieben hat. Die Bücher sind an wahre Ereignisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg angelehnt und können einzeln gelesen werden, ich empfehle jedoch, alle drei zu lesen.
In diesem Band steht Birgit im Mittelpunkt, Teklas beste Freundin. Als Siebzehnjährige verliebt sie sich in ihren Russischlehrer Ilja. Der Exil-Russe ist 1917 während der Oktoberrevolution nach Norwegen gekommen. Ilja weckt in Birgit die Liebe zu russischer Kultur, Musik und Literatur.
1944 zieht sie nach Bodø, wo sie als Krankenschwester arbeitet. Sie lernt die Ostarbeiterin Nadia kennen und verliebt sich in den russischen Kriegsgefangenen Sascha. Sie verhilft ihm zur Flucht und wird von der Gestapo festgenommen.
Nach dem Krieg wird Birgit bei der Rückführung von Kriegsgefangenen als Dolmetscherin eingesetzt. Sie bereist Lager, deren Insassen unter menschenunwürdigen Bedingungen unter anderem beim Bau der Polarbahn eingesetzt wurden. Sie haben Moorgebiete trockengelegt, Berge gesprengt und Steine geschleppt. Der amerikanische Geheimdienst wird auf Birgit aufmerksam und bietet ihr eine Stelle an der norwegischen Botschaft in Moskau an. Dort gerät sie zwischen die Fronten des Kalten Krieges.
Trude Teige hat wieder einen großartigen historischen Roman vorgelegt. Einige Szene sind unfassbar grausam, nicht für zart Besaitete geeignet. Birgits Aufenthalt im Gestapokeller, wo sie tagelang misshandelt und missbraucht wurde, hat mich tief erschüttert. Sie hatte bis an ihr Lebensende Albträume, die nur mit Hilfe von psychiatrischer Behandlung und Ablenkung durch Arbeit geringfügig gelindert werden konnten.
Im Nachwort erfahren wir, dass Birgits Geschichte an die von Ingeborg Lygren angelehnt ist, einer ehemaligen Mitarbeiterin des Auslandsgeheimdienstes, die verdächtigt wurde, eine norwegische KGB-Spionin zu sein.
Von mir eine große Leseempfehlung für die ganze Trilogie, in der wir sehr viel über Schicksale von Norweger*innen in Norwegen, Deutschland und Indonesien während und nach dem Zweiten Weltkrieg erfahren.
Zum Abschluss möchte ich Trude Teiges Worte aus dem Nachwort zitieren: „Das Paradoxe ist, dass Russland 1945 unser Alliierter war, während die Deutschen unsere Feinde waren. Heute ist es umgekehrt. Und wieder weht ein kalter Wind über Europa. Die Kluft zwischen Ost und West ist tiefer geworden.“