Ein Buch der Extreme

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blaubeermuffin Avatar

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Bei diesem Buch fiel es mir anfangs schwer, regelmäßig weiterzulesen. Nicht, weil es so schlecht oder langweilig wäre – ganz im Gegenteil! – sondern weil mir die dargestellte Brutalität sehr nah ging. Dabei bin ich im Grunde nicht so zart besaitet. Hiltons Buch aber ist so realistisch geschildert, dass man sich gut vorstellen könnte, die Ereignisse hätten sich damals genau so zugetragen. Und das erschwerte mir das Lesen, denn mehrmals musste ich den Roman beiseite legen, oft sogar für Tage, und das Gelesene erst einmal verdauen.

Mit dem Protagonisten Will und seinen Freunden auf der Ranch wurde ich beim Lesen schnell warm. Irgendein Kritiker wurde mit den Worten „_Stand By Me_ hinter Gittern“ zitiert, und ich finde, das trifft den Charakter des Buches sehr genau. Es ist ein Roman der Extreme. Auf der einen Seite gibt es die wirklich anrührenden Momente der unerschütterlichen Freundschaft und Zuneigung, auf der anderen Seite muss man sich quasi in jedem Kapitel darauf gefasst machen, dass etwas Schreckliches geschieht. Wer gequält, vergewaltigt, verstümmelt oder auf grausamste Weise ermordet wird, ist nie vorauszuahnen. Aber immer dann, wenn alles relativ friedlich scheint, brechen im Buch die schlimmsten Katastrophen herein.

Die größte Intensität entwickelte der Roman meiner Meinung nach im letzten Drittel, in dem es Hilton tatsächlich gelingt, die Spannung noch einmal zu steigern. Viele Bücher flachen gerade zum Schluss hin spürbar ab und lassen einen nach dem Lesen enttäuscht zurück. Man hat häufig das Gefühl, der Autor hätte das Manuskript noch eben schnell vor dem Abgabetermin fertigschreiben müssen, dementsprechend gefällt mir meist das Ende nicht. Hiltons Roman aber bildet hier eine angenehme Ausnahme und fesselte mich bis zur letzten Seite. Ich muss zugeben, dass mir zum Schluss sogar die Tränen kamen – das geschieht nicht oft, wenn ich ein Buch lese, aber ich hatte die Protagonisten so sehr ins Herz geschlossen, dass es mir leid tat, von ihnen Abschied zu nehmen.

Der Roman hat nur einen Haken: Er ist zu kurz! Als ich am Schluss angekommen war, hatte ich das Gefühl, da müsste noch etwas kommen. Ich wollte noch mehr wissen über Will und seine Freunde und die gute Seele Miss Little. Deshalb freue ich mich schon jetzt auf die nächsten Bücher von David Hilton. Wenn es ihm gelingt, weitere Romane von dieser Eindringlichkeit abzuliefern, könnte ich mir, ohne übertreiben zu wollen, vorstellen, dass er zukünftig in einem Atemzug mit Stephen King genannt wird.