Über Erwartungen an Beziehungen und das Leben

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missemilia Avatar

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"wir sind pioniere" von Kaleb Erdmann handelt von zwei jungen Menschen, die Eltern werden und ihren derzeitigen Lebens- und Beziehungsentwurf hinterfragen. Die Geschichte wird erzählt, während sich beide auf einer Reise zueinander befinden. Verschiedene Städte werden zu Stationen auf der Reise und erlauben immer neue Einsichten in die Gedanken- und Gefühlswelten der Protagonist*innen.

Das Buch lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Das Thema finde ich sehr spannend; es lädt zum Nachdenken über eigene Beziehungsmuster und mögliche alternative Lebenswege ein. Kein Gefühl wird dabei pauschal als richtig oder falsch, zu traditionell oder zu progressiv dargestellt. Jeder Gedanke und jedes Gefühl hat Raum. Auch die Bilder, die der Autor zeichnet, und die intelligente und trotzdem einfache Schreibweise gefallen mir sehr gut.

Allerdings war ich mit dem kompletten Verzicht auf satzbeendende Indikatoren vor allem auf den ersten 50 Seiten sehr überfordert. Der Autor verwendet weder Punkt, noch Komma; keine Anführungszeichen und auch keine Groß- und Kleinschreibung. Das macht es zeitweise schwer, den Sinn des Gelesenen sofort zu begreifen. Gerade zu Beginn, als der Schreibstil noch unbekannt war, hat mir das den Lesefluss enorm erschwert. Ich kann zwar durchaus den metaphorischen Sinn dahinter wertschätzen; es hat sich wie ein wilder Gedankenstrudel angefühlt, auch hier und da verwirrend. Ganz so, wie es den Protagonist*innen sicher auch ergangen sein könnte. Dennoch glaube ich, dass mir das Buch mit Satzzeichen besser gefallen hätte und ich es auch deutlich schneller gelesen hätte.

Denn insgesamt baut das Buch durchaus eine Sogwirkung auf, vor allem da sich die beiden Charaktere kontinuierlich aufeinanderzubewegen und man nicht ganz weiß, was man vom Zusammenkommen erwarten soll: Versöhnung, Neuanfang, Supergau? Hier und da fand ich einige Passagen und Nebenhandlungen aber auch unnötig lang, weswegen ich das Buch auch öfter mal aus der Hand gelegt habe.

Insgesamt bin ich etwas zwiegespalten. Ich würde das Buch aber insgesamt vor allem aufgrund der vielen klugen und durchdachten Formulierungen und dem spannenden Thema weiterempfehlen.