Schwierige Mutter-Tochter-Beziehungen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
monika85 Avatar

Von

Der Eichborn Verlag hat "Wir sitzen im Dickicht und weinen", den Debütroman der österreichischen Autorin Felicitas Prokopetz, veröffentlicht.
 
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Ich-Erzählerin Valerie Steinberg. Sie ist geschieden und alleinerziehende Mutter ihres mittlerweile 16-jährigen Sohns Tobi. Das Verhältnis zu ihrer Mutter Christina ist schwierig, die beiden Frauen sehen sich daher nur selten. Dass ihre Mutter an Krebs erkrankt ist, stellt eine große Herausforderung für Valerie dar, denn von nun an muss sie sich um ihre Mutter kümmern und für sie da sein.
Die Entscheidung ihres Sohnes, für ein Jahr eine Schule in England zu besuchen, bereitet Valerie zusätzliche Probleme. Sie möchte nicht, dass er weggeht, er ist doch noch viel zu jung. Sie macht sich Sorgen und hat große Angst, dass ihm etwas passiert.

Das Buch widmet sich nicht nur Valeries Geschichte, sondern auch dem Leben ihrer Großmütter Martha und Charlotte sowie dem ihrer Mutter Christina. Wir erfahren, wie die Kindheit der Frauen verlief und wie sich ihre Stellung als Frau innerhalb der Familie und Gesellschaft im Laufe der Jahre veränderte. Später stehen die Mutter-Tochter-Beziehungen im Fokus. Sie sind kompliziert, jede Mutter möchte es besser machen als ihre eigene Mutter, und doch sind alle gefangen in ihren familiären Strukturen. Der Roman blättert nach und nach die Familiengeschichten auf, und wir erfahren, weshalb Christina und Valerie zu den Frauen geworden sind, die sie sind. 
 
Der Roman ist in eher nüchternem Sprachstil geschrieben, er liest sich sehr flüssig und ist fesselnd. Die Autorin skizziert ihre interessanten Charaktere authentisch und bildhaft. Die Frauen sind geprägt durch schmerzliche Erfahrungen, sie sind eigenwillig und haben ihre Ecken und Kanten. Ihre Handlungsweisen konnte ich nicht immer nachvollziehen. Für Valeries liebloses Verhalten gegenüber ihrer kranken Mutter hatte ich wenig Verständnis, auch wenn die Rückblicke in die Vergangenheit ihre Beweggründe erklären.
 
Es fiel mir anfangs schwer, die zahlreichen Personen zuzuordnen, da Kapitelüberschriften und Zeitangaben fehlen. Ein Stammbaum wäre hilfreich gewesen, um die Familienstruktur jederzeit nachvollziehen zu können. 
Ich habe das Buch, in dem es neben Familie und Mutterschaft auch um Generationskonflikte und Vernachlässigung geht, gern gelesen. Die Schilderungen über Christina als Kind sowie die beiden Großmütter in unterschiedlichen Lebensphasen nehmen recht viel Raum ein, sehr gern hätte ich mehr über Valeries Beziehung zur Mutter erfahren.
 
Leseempfehlung von mir und 4 Sterne!