Traurig und schön

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Valerie und ihre Mutter Christina haben keine einfache Beziehung, was unter anderem an der schwierigen Kinder- und Teenagerzeit von Valerie liegt. Diesen sprichwörtlichen Schuh zieht Christina sich nicht an, schließlich hat sie alles Menschenmögliche getan, damit es Valerie gutgeht, wenn auch nicht auf alles für ihr Kind verzichtet, denn sie wollte es besser machen und haben, als ihre eigene Mutter es hatte. So ist es kein Wunder, dass auch die erschütternde Krebsdiagnose von Christina die beiden Frauen nicht zusammenbringt, denn für die eine ist es eine Pflicht, für die andere ein Muss.

Anfangs tat ich mich schwer damit, die Personen im Buch auseinanderzuhalten, denn die Rückblenden in die Vergangenheit, in denen ich Mütter und Väter sowie die Großeltern von Valeries Eltern kennenlernen durfte, erforderten meine Konzentration und erlaubten es nicht, unaufmerksam zu sein. Diese Rückblicke waren wichtig, um zu verstehen, wie und warum jeder einzelne von ihnen geformt und zu dem Menschen geworden ist, der letztendlich in der Gegenwart der Geschichte vorgestellt wird. Da wurde der erste Weltkrieg erlebt, der zweite überlebt, für Rechte gekämpft, verloren, Widerstand geleistet und erneut versucht, dagegenzuhalten. Die Ohnmacht der Frauen, ihr Bestreben danach, ein gutes Leben zu leben, ohne ihre Persönlichkeit aufgeben zu müssen, wenn die Kinder erstmal da sind, ihre Verzweiflung, ihre Traurigkeit und ihre Wut. Das sich Einrichten in ihrer Welt, das Ertragen und Wegducken, die Aufgabe, die Hingabe und die Pflichten der Mutterschaft; all dies wurde mir aufgezeigt und oft war ich empört, mitfühlend, traurig, lachend, mitleidig oder wütend über Situationen, die mir erschienen wie Geschichten aus einer anderen Welt. Wie verwoben alles miteinander war, wie tragisch, wenn über mehrere Generationen hinaus etwas weitergetragen wird, das sich irgendwann entlädt und mit einer Wucht freigelassen wird, die alles übertrifft.

Dieses Buch war traurig und schön, es hat mir die Last und die Bürde der Mutterschaft, aber auch ihre Hingabe und Schönheit, die Hoffnung und Liebe vor die Augen geführt. Jede der Frauen hatte recht und lag gleichzeitig falsch, ich konnte sie verstehen, waren sie doch beide das Ergebnis ihrer Kindheit und das Produkt ihrer Zeit. Mit Sympathie hat das nichts zu tun, aber mit dem Menschsein. Eine wunderbare Geschichte über die Macht der Familie. Ein großartiges Debüt, das mir Lust auf weitere Werke von der Autorin macht. Lesenswert!