Ein langer Weg

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anneteekanne Avatar

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Das Cover:
Ist ziemlich interessant mit dem Eichhörnchen und dem Kaleidoskop bzw. als "gebrochenes Bild", welches erst wieder zusammengefügt werden muss.

Zum Buch:
Rahel wollte Weihnachten zu Hause bei ihrer Familie feiern und wacht im Krankenhaus auf, mit massiven Erinnerungslücken. Sie erfährt, dass sie eine Sepsis hatte und im Koma lag. Nun sind alle happy, das sie wieder aufgewacht ist. Alle außer Rahel, denn die versteht die Andeutungen der Ärzte nicht, weiß nicht, warum ihr Freund nicht da ist (dafür aber ihr Bruder) und hat so ziemlich den Faden in ihrem Leben verloren. Leider ist ihr Herz in Mitleidenschaft gezogen worden und nun muss sie um alles kämpfen, aber zuerst einmal um ihr Leben.

Meine Meinung:
Das Herz ist das zentrale Organ. Jede kleine Schädigung schränkt dich massiv ein. Jeder hier auf der Station keucht und schnauft beim Gehen, keiner von uns wird wohl je wieder so sein wie früher. Wir müssen alle akzeptieren, dass wir jetzt auf der anderen Seite leben, wo wir auf uns aufpassen müssen, wo der Herzschlag gemessen wird und wo wir mit der Angst leben, dass wir es nicht schaffen. Auf dieser Seite stehen wir, die Versehrten, und schauen sehnsüchtig auf die andere Seite, die der Sorglosen.(Seite 116)

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, die Leseprobe, die mir gut gefiel, hat mir irgendwie etwas Anderes suggeriert. Etwas Tieferes. Vom Titel dachte ich, dass die auf der anderen Seite, die aus dem Koma sind, die dieses Schicksal überlebt haben und davon die seelischen Folgen tragen, die Anika Decker in Ansätzen beschreibt. Eben die Monster, die auf der Brust sitzen, die Gedanken die einen nicht nur im Schlaf verfolgen. Aber laut Rahel (siehe Zitat oben), ist die andere Seite die der Schadhaften, nicht der Unversehrten und damit wird die Gruppe meiner Ansicht nach immens groß. Ich bin auch schadhaft, ich denke oft darüber nach, wie glücklich ich mich schätzen kann, das alles gut ging. Dass ich keine Rippe und keine Niere verloren habe, das alle Narben verheilen und keine künstlichen Ausgänge zurückgeblieben sind, sondern nur der Schock, was einem mit 44 Jahren passieren kann. Das Krankheiten nicht mehr an Risikogruppen, Alter oder ähnliches gebunden sind. Jeder kann betroffen sein und die Frage nach der Achtsamkeit, des life-work-balance und weitere Schlagwörter unserer modernen Zeit nützen nicht viel dabei.

Anika Decker beschreibt viel: das Trauma, die Fehldiagnosen, die Nebenwirkungen, das Umfeld. Alles da, alles mit einer ordentlichen Prise schwarzem Humor, alles lebensnah, aber irgendwie fehlt was. Wie bei Rahel, die sich nicht erinnern kann, bleibt bei mir als Leser ein schaler Nachgeschmack. Was will mir die Autorin sagen. Dann noch der Rundumschlag auf Regisseure, Schreiber und Schauspieler. Alle sind sie verlogen, suchen nur den nächsten Gewinn und wollen sich selbst profilieren - kein Rückgrat!

Kurz vor dem Ende kommt dann dieses "ich muss mein Leben selbst in die Hand nehmen", das hätte ich vielleicht gern früher gehabt. Aber ein gutes Ende gibt ja bekanntlich Hoffnung.

Fazit:
Lesbar, kann zum Nachdenken anregen oder einen tief traurig machen.