Ewig leben?

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tinstamp Avatar

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Schon der Klappentext des neuen dystopischen Romans von Maxim Leo hat mich sofort angesprochen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass der KiWi Verlag mir den Wunsch eines Rezensionsexemplares erfüllt hat.

Professor Martin Mosländer ist Wissenschaftler und Nerd. Er arbeitet zur Zeit an einem neuen Medikament gegen Herzinsuffizienz an der Charité in Berlin. Dafür hat er neben sich und seinem altersschwachen Hund Charles auch vier Proband:innen ausgewählt, die seine neuen Pillen erhalten.

Einer davon ist der sechzehnjährige Jakob, der aufgrund seiner angeborenen Herzmuskelschwäche seit seiner Kindheit sein Leben nur sehr eingeschränkt leben kann. Er schreibt Songs am Computer und ist zum ersten Mal verliebt - in Marie, eine Klassenkameradin. Marie ist ebenfalls eine Außenseiterin und fühlt sich ebenso zu Jakob hingezogen. Doch wenn es um körperliche Nähe geht, versagt Jakob total.
Die ehemalige olympische Schwimmerin Verena nimmt an einem Benefizschwimmen teil und bricht plötzlich ihren alten Rekord. Sie wird daraufhin des Dopings verdächtigt.
Jenny versucht seit Jahren endlich schwanger zu werden. Nachdem alle durchgeführten Kinderwunschbehandlungen erfolglos blieben und ihre Ehe daraufhin zerbricht, wird sie plötzlich auf natürlichem Wege schwanger.
Karl Wenger ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, jedoch schwer krank. Er möchte sein Firmenimperium in die Hände seiner Kinder geben und plant seinen Tod in der Schweiz, als er sich plötzlich wieder fitter und gesünder fühlt.

Alle vier haben Mosländers Pillen geschluckt und werden immer jünger. Diese Verjüngung verläuft jedoch unkontrolliert und scheint nicht zu stoppen zu sein. Was wird passieren, wenn die jungen Probanden unter Null angelangt sind?
Während Wenger seinem Leben nochmals einen richtigen Kick geben möchte, wird Jakob innerlich immer mehr zum Kind und verzweifelt langsam an seiner Liebe zu Marie. Verena ist plötzlich Anfeindungen ausgesetzt und Jenny bleibt immer länger schwanger....

Als bekannt wird, dass es ein neues Medikament gibt, welches die Menschen stark verjüngt und diese vielleicht ewig leben können, kommt es zu Tumulten. Machtgierige Konzerne, Politiker, Neider, Weltverbesserer und Ethiker...alle wollen mitmischen und stellen sich für oder gegen eine Weiterentwicklung des Medikamentes. Dabei wollte Martin Mosländer nur herzkranken Menschen helfen...

Der Autor hat dieses Szenario sehr realistisch dargestellt, welches nicht gar so weit hergeholt ist. Während jüngere Menschen sich noch nicht wirklich mit dem Thema auseinandersetzen, sehen ältere Menschen eine Möglichkeit länger zu leben.

Mich hat die Auswirkung des Medikamentes auf das Leben der vier Probanden gefesselt. Jeder von ihnen geht anders mit seiner innerlichen Veränderung um. Abwechselnd wird aus der Sicht von Jakob, Jenny, Verena, Karl, aber auch aus der Sicht von Martin und der wissenschaftlichen Ethikberaterin der Regierung, Miriam Holstein, erzählt. Die Namen der Erzählenden sind am Kapitelanfang vermerkt.

Maxim Leo wiegt jede Menge Vor- und Nachteile ab und setzt sich mit dem Thema auseinander. Schreibstil und vorallem die Charakterdarstellung seiner Figuren fand ich richtig toll. Man befasst sich beim Lesen mit den Auswirkungen eines ewigen Lebens auf die Weltbevölkerung. Themen wie: Wer erhält die verjüngenden Pillen? Wie sieht es mit Chancengleichheit und Missbrauch aus? Soll sich die Menschheit überhaupt weiterhin vermehren oder kommt es zur kompletten Geburtenkontrolle?
Der Autor hat sich mit den Vor- und Nachteilen diesers Szenario auseinandergesetzt und ethische Bedenken durchdacht.
Man fragt sich selbst immer wieder, wie man sich verhalten würde, wenn es die Möglichkeit für eine Verjüngung oder ein ewiges Leben geben würde.

Die Gedanken und Sichtweisen sind mega interessant. Der Spannungsbogen ist hoch und man will wissen, was weiter passieren wird. Bis zum letzten Viertel hätte ich der Geschichte 5 Sterne gegeben, doch auf den letzten hundert Seiten gab es eine Wendung, die mir weniger gefallen hat und zur Folge hat, dass das Ende etwas unausgegoren wirkt. Auch die wichtige Figur der wissenschaftlichen Beraterin scheint plötzlich nicht mehr auf und verschwindet einfach in der Bedeutungslosigkeit. Sehr schade!

Mit einem Schmunzeln habe ich die Idee des Autors, ein Foto seines jüngeren Ichs auf der Innenklappe abzubilden, reagiert. Ein cooler Gedanke!

Fazit:
Ein Roman, der einen kleinen Einblick in eine mögliche Zukunft bietet. Tolle Ideen, ein fesselnder Schreibstil, aber zum Ende hin blieb die Geschichte dann leider ein bisschen hinter meinen Erwartungen zurück. Trotzdem empfehle ich diesen leicht angehauchten dystopischen Roman sehr gerne weiter!