Tauchen und Sand

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wandablue Avatar

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Tauchen und Sand. Das passt nicht. Tauchen und Wasser. Das passt. Aber in der Zukunft ist alles anderes. Man taucht mit Luftflaschen und besonderen Fertigkeiten versehen, die allerdings nur die Sandtaucher haben, in den Sand hinab, um die zugewehten Städte der Vergangenheit zu finden. Oder einen Zipfel davon. Und am besten sind Städte, die keiner vorher wiederentdeckt hat. Alle suchen das sagenhafte Danvar.

Es ist eine packende Fantasiewelt, die Hugh Howey sich wieder einmal für uns Leser ausgedacht hat. Die Silos waren ja schon toll, aber Sandtaucher, Sandsurfer, das ist schon wieder eine Glanzleistung seiner Fantasie. Man bekommt einen Anflug von Klaustrophobie, wenn man da unten ist, 200 Meter tief, über dir nur der Druck des Sandes. Und als Palmer dann Probleme bekommt beim Tauchen ... das muss man einfach lesen!

Zugegeben, es werden nicht alle Fragen beantwortet, die man als Leser so haben könnte. Zum Beispiel bleibt es etwas unklar, woher die Nahrung kommt. Zu keiner Zeit ist jemand auf die Jagd gegangen, aber man kaut immerzu Dörrfleisch. Mama Rose zieht auf dem Hurenhaus Obst und Gemüse. Für mein Dafürhalten wären diese Genüsse weit begehrenswerter gewesen als die Ware, die Mama Rose wirklich anbietet.

Um eine Tauchausrüstung in Betrieb zu nehmen und mit ihr zu arbeiten, braucht man Strom. Woher der jetzt in so großem Ausmaß kommt und wie er in den Anzügen gespeichert werden kann, ist auch unklar. Wurden so viele Batterien geborgen aus den unterirdischen sandverschütteten Städten? Und wie kommt die Luft in die Flaschen? Mir ist kein Kompressor begegnet. Na ja, es gibt ein paar aufgeweckte kleine Technikfreaks. Die werden es irgendwie auf die Reihe gebracht haben. Zusehen dürfen wir nicht. Also auf diese unwesentlichen Details kann der Autor nicht eingehen. Er befindet sich nämlich gerade mit der Familie von Conner auf einer Schatzsuche. Eigentlich suchen ja alle Bewohner der zwei Sandstädte nach einem Schatz, nämlich nach dem sagenhaften Danvar, wie schon erwähnt. El Dorado, Atlantis, Danvar - manche Dinge ändern ihren Namen, aber nicht ihr Wesen.

Trotz dieser Unerklärlichkeiten sind die Sandwelt und die Gabe des Sandtauchens ziemlich fesselnd. Das Abenteuer, das Mama Rose mit ihrer, eigentlich in Auflösung befindlichen Familie bestreitet, ist auf jedem Meter lebensgefährlich und sehr, sehr sandig. Man hat den Sand überall, zwischen den Zähnen, den Zehen, im Haar.

Am Ende des ersten Bandes hat sich die Lebenswelt von Mama Rose und ihren Nachkommen jedoch merklich verändert. Sie sind auf der Flucht.

Fazit: Trotz einiger schreiberischen Schwächen ein tiefes genussvolles, leserisches Eintauchen in – Achtung Luftholen, bevor es hinuntergeht – den Sand. Der zweite Band der Sandtaucher wird dringend herbeigewünscht.

Kategorie: Dystopie. Abenteuerroman
Verlag. Piper, 2019