Unabdingbarer Spannung auf 448 Seiten und die Auflösung der „alten Fälle.“

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Wenn also in “Cold Cases” wieder ermittelt wird und ein ehemaliger KHK der norwegischen Polizei der Autor ist, dann kann nur ein authentischer Krimi entstehen. Ohne die für skandinavischen Krimis obligatorischen perversen Täter mit ihren malträtierten Opfern und sozialkritischen Anklagen, dafür aber mit unabdingbarer Spannung auf 448 Seiten und einer Auflösung der „alten Fälle.“

An einem 10. Oktober vor 24 Jahren verschwand Katharina Haugen. Damals fand die Polizei auf dem Küchentisch den „Katharina Code“, eine Ansammlung von Zahlen und Strichen, die über drei senkrechte Linien verteilt waren. „Katharina-Koden“ der norwegische Originaltitel. Kommissar William Wisting, ein Cold-Cases-Besessener will herausfinden was damals geschah. Deshalb hält er seit 24 Jahren an jedem 10. Oktober „Kontakt“ mit dem damaligen Hauptverdächtigen Martin Haugen, weil ihm sein Bauchgefühl sagt, dass es in diesem Vermisstenfall noch etwas zu entdecken gibt.

Ruhig und authentisch beschreibt J. L. Horst den Alltag Wistings, wie es nur ein ehemaliger Kommissar vermag – mit literarischer Begabung.

Der gewiefte Krimifan, ohne einem paranoiden Anfall zu erliegen, zweifelt die Echtheit des jungen EU-Kommissars Adrian Stiller der Cold-Case-Unit aus Oslo an, vermutet einen Einschleich-Polizisten, der unseren Wisting „hineinlegen“ will. Aber alles scheint echt zu sein. Stiller hat ein Indiz aus einem zweiten Vermisstenfall „Nadia Krogh“, zwei Jahre vor dem Entführungsfall Katharina Haugen, nämlich Fingerabdrücke von Martin Haugen auf dem Erpresserbrief.

Mit verdeckter Polizeiarbeit unter der Leitung von William Wisting und lancierter Pressarbeit unter der Leitung von Line Wisting will Stiller zum Erfolg kommen. Wisting zum Quadrat, ein genialer Schachzug von Stiller?

Auf 88 Kapiteln wird ein Spannungsbogen erzeugt, der vom Psychoduell Marin Haugen gegen William Wisting dominiert wird. Wie ein Bühnenstück mit zwei Hauptakteuren. Stiller und Hammer, ein Kollege von Wisting arbeiten im Hintergrund mit allerlei technischen Hilfsmittel, um auf dem „Laufenden“ zu bleiben. Haugen und Wisting befinden sich auf einer Bergtour, Wistings Handyakku ist leer, die Lage spitzt sich zu. Während Wisting „in sich ruht“ und beharrlich sein Ziel verfolgt ist Stiller das Gegenstück. Ungeduldig will er Haugen mit Psychoricks aus der Reserve locken.

Dieser „ruhige Plot“ gleicht einem minutiösen Tagebuch Wistings Ermittlungsarbeit mit familiären Anreicherungen durch seine Tochter, sein Enkelkind und seinen Sohn.

Keine Effekthascherei, eher ein Tatsachenbericht, genial umgesetzt von J. L. Horst. Zurecht ein vielfach ausgezeichneter Bestseller-Autor. Fortsetzung folgt.