Wistings "weißer Wal"

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elke17 Avatar

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Jede/r Ermittler/in hat ihn, den „weißen Wal“, den einen Fall im Laufe seines/ihres Berufslebens, den er nicht zum Abschluss bringen konnte, weil der letzte Beweis fehlt, um den/die Verdächtige zu überführen. Dann werden die Unterlagen in eine Kiste gepackt und in den Regalen mit den ungelösten Fällen verstaut, bis sie Staub ansetzen.

In William Wistings Fall ist das Katharina Haugen, eine junge Frau, die vor 24 Jahren spurlos verschwand und ihn seither umtreibt, da er den Hauptverdächtigen kennt, im Lauf der Jahre sogar eine Art von Beziehung zu ihm aufgebaut hat, ihn aber nicht überführen kann. Und jedes Jahr um den Tag ihres Verschwindens holt er die Kiste mit den Beweismitteln hervor. Hoffend, etwas zu finden, das er bisher übersehen hat, damit er den Fall endlich zum Abschluss bringen kann.
In diesem Jahr kommt jedoch unerwartete Hilfe von anderer Seite. Stiller, der Kollege von einer Cold Case-Spezialeinheit, trifft auf dem Revier ein, um einen lange zurückliegenden Entführungsfall im gleichen Ort aufzuklären und glaubt, dass beide Fälle zusammenhängen könnten. Vielleicht sogar, dass man es mit dem gleichen Täter zu tun hat. Zwischen den beiden Ermittlern entwickelt sich eine ganz besondere Dynamik, besonders dann, als auch noch Line, Journalistin und Wistings Tochter, in eine medienwirksame Aktion hineingezogen wird…

„Wisting und der Tag der Vermissten“ ist ein astreiner „Police procedural“. Der Autor, früher selbst Polizist, verzichtet allerdings auf die Beschreibung spektakulärer Aktionen, sondern schildert stattdessen minutiös die Polizeiarbeit und lässt den Leser an dieser teilhaben. Das ewige Klein-Klein zieht sich zwar deshalb manchmal in die Länge, bietet aber doch ein genügendes Maß an Spannung, das den Leser bei der Stange hält. Die Auflösung beider Fälle ist sauber hergeleitet und lässt keine Fragen offen. Aber mir hat das Überraschungsmoment gefehlt, der Knaller am Schluss, der den Fällen eventuell noch eine andere Richtung gegeben hätte. Und dennoch kann man diesen Einführungsband von Jørn Lier Horsts Cold Case-Reihe, in deren Zentrum abermals (wie in den bereits vorliegenden Krimis des norwegischen Autors) Kommissar William Wisting steht, durchaus als realitätsnah und gelungen bezeichnen.