Überzeugender NA-Auftakt!

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Da ich der Autorin schon seit Jahren auf Instagram folge, wo sie als @justine_thereadingmermaid unterwegs ist, war es für klar, dass ich den Erscheinungstermin des Auftakts ihrer neusten NA-Reihe als Anlass nehmen muss, mal eines ihrer Bücher zu lesen. Der Knaur Verlag hat mir netterweise schon vor ein paar Tagen ein Exemplar von "With you I dream" zugesendet, sodass ich heute passend zum Buchgeburtstag meine Rezension hochladen kann.

Mia: "Es gibt dieses Band zwischen Geschwistern, das schwer zu erklären ist, wenn man es nicht selbst erlebt. Egal, wie unterschiedlich man ist oder wie groß die Differenzen sind - man hat eine Konstante."

Erstmal vorweg: ich liebe, liebe, LIEBE das Cover!!! Mit der meerblauen Blume im Hintergrund, deren durchscheinende Blütenblätter an einen Klatschmohn erinnern, dem geschwungenen, weißen Titel und den vereinzelten, goldenen Sprenkeln ist es schlicht und einfach wunderschön gestaltet! Der Titel klingt auch ganz hübsch, dort vermisse ich aber die genaue Verbindung zum Inhalt. Positiv hervorheben möchte ich noch die toll gestalteten Leselaschen der broschierten Ausgabe, in denen Eindrücke aus der fiktiven Kleinstadt Belmont Bay zu sehen sind, welche das Setting für die gleichnamige Belmont-Bay-Reihe bildet.

Erster Satz: "Das Leben ist ein Theaterstück, und wir alle spielen die eigene Hauptrolle."

Wir beginnen mit Mias Ankunft in Belmont Bay in die Geschichte. Nachdem sie in New York nach einer Horrornacht überstürzt verlassen hat, kommt sie dort bei ihrer Adoptivschwester Megan unter und findet in dem lauschigen Örtchen zwischen der wild-romantischen Natur Idahos, einem Shakespeare-Festival und der Bekanntschaft mit dem grüblerischen Conner Zeit zum Herunterkommen, Erden, Heilen und Träumen... Anders als das cozy Kleinstadtsetting vermuten lassen würde, sind die behandelten Themen hier alles andere als gemütlich. Wie die Triggerwarnung schon besagt, geht es hier um häusliche Gewalt, Verlust, Tod, Trauer und Traumabewältigung. Denn nicht nur Mia ist auf der Suche nach einem Neuanfang, auch Conner trägt einiges mit sich herum, das er endlich loslassen muss...

Conner: "Jeden Tag verschwinden Menschen. Überall auf der Welt. In einem Moment sind sie noch Teil deines Lebens. Sie haben ein Leben, eine Zukunft - und dann werden sie verschlungen. Es gibt keine Spuren, keine Anhaltspunkte. Nur die vage Hoffnung, dass sie irgendwann doch wieder auftauchen. Man hofft auf ein Wunder. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich noch hoffe."

"With you I dream" ist also mehr als eine Liebesgeschichte und besticht mit emotionaler Tiefe und wichtige Themen. Schade ist nur, dass dabei auf den 352 Seiten vieles nur angerissen bleibt. Mias Aufwachsen, ihr Verhältnis zu ihrer Schwester, zu ihrer Mutter, zu ihrem Studium, ihre zurückliegende Beziehung, ihr Leben in New York... da bleiben viele Fragen offen. Was hat Ihr außer dem Theater Freude bereitet, hat sie irgendwelche anderen Hobbies oder Freizeitbeschäftigungen? Was ist mit einem Adoptivvater? Hat sie in New York andere Bekanntschaften geschlossen, die sie vermisst? Ich kann gut verstehen, dass sich die Autorin hier ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren wollte, in dem Mia zur Ruhe kommen kann, aber leider haben mir hier noch ein paar Details gefehlt, um sie als Figur richtig greifen zu können. Die Informationen über Conner sind hingegen noch spärlicher: seine Familie wird nur kurz nebenbei erwähnt, seine Schwester lernen wir in einer Szene kennen, wir erfahren nie, weshalb er das Haus restauriert und berufliche Ambitionen oder Träume scheint er keine besonderen zu haben.

Mia: "Ein Augenblick schweigt Conner und betrachtet das Farbspiel der Blätter, die im Licht der Mittagssonne schimmern, als habe sie jemand mit Gold besprenkelt. "Aber trotzdem gab es die guten Zeiten. Man sollte das nicht vergessen und sich deswegen auch nicht schlecht fühlen. Egal, was danach passiert ist." Ich schüttle den Kopf. "Auch wenn jedes Glück, das man verspürt hat, plötzlich wirkt wie eine Lüge?" Unsere Blicke treffen sich, ohne sich wieder voneinander lösen zu können. Das schmerzhafte Pochen meines Herzens wird wieder ruhiger. "Glück ist keine Lüge, selbst wenn man danach ins Unglück rennt."

Das finde ich extrem schade und ich bin mir sicher, dass zusätzliche 100 Seiten der Geschichte gutgetan hätten, sodass alle losen Enden verstaut und die Figuren mit ein bisschen mehr Lebendigkeit und Details versehen hätten werden können. Im jetzigen Zustand finde ich die Geschichte sehr gut, mit ein bisschen mehr Umfang hätte sie aber grandios sein können. Denn beide Figuren sind mir sehr ans Herz gewachsen. Vor allem Mias innerer Konflikt und die seelischen Narben, die sie von der toxischen Beziehung davongetragen hat, finde ich sehr berührend und bestärkend dargestellt. Das mag wahrscheinlich daran liegen, dass Justine Pust Sensitivity Reader eingesetzt hat und in einem bewegenden Nachwort offenlegt, dass sie selbst ähnliche Erfahrungen wie ihre Protagonistin machen musste. Zwar fand ich das Ende etwas überstürzt und plötzlich, Mia schafft es aber trotzdem ein glaubwürdiges und mutmachendes Beispiel dafür zu sein, dass es keine Opfer von häuslicher Gewalt gibt, sondern nur Überlebende! Für die Überwindung und die emotionale Arbeit, die die Autorin in diese Geschichte gesteckt haben muss, kann ich nur den Hut vor ihr ziehen!

Conner: "Ihre Lippen suchen meine, und ich vergesse die kalte, grausame Welt um uns herum. Und jede Narbe, die mir je zugefügt wurde."

Auch die langsame Annäherung zwischen Mia und Conner hat mir sehr gut gefallen. Es gab einige Szenen, die habe ich beinahe als Filmsequenzen vor mir gesehen, weil sie so eine lebendige Dynamik hatten. Das mag vielleicht auch mit Justine Pusts Schreibstil zusammenhängen. Neben den Konflikten der Figuren und deren wachsender Nähe dürfen wir auch die Natur Idahos bewundern. Besonders einige Wanderausflüge in den Wald haben es mir sehr angetan, weshalb ich mich darauf freue, in Band 2 nach Belmont Bay zurückkehren zu können, wo dann Megans Geschichte erzählt wird.

Mia: "Man muss andere nicht dafür verurteilen, dass ihre Wunden noch heilen müssen."



Fazit:

"With you I dream" ist eine cozy Kleinstadt-Romance mit nicht ganz so cozy Themen. Justine Pust überzeugt in ihrem NA-Auftakt mit emotionaler Tiefe, wichtigen Botschaften und wunderschönen Landschaftsbeschreibungen. Leichten Abzug gibt es für den in meinen Augen zu geringen Umfang, wodurch einige Fragen offen und das Ende zu überstürzt bleiben.