In den Wäldern Nordschwedens

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Wir haben hier eine Geschichte auf zwei Zeitebenen, die uns in der Vergangenheit ins Jahr 1938 und in der Gegenwart ins Jahr 2022 nach Nordschweden führt. Sie erzählt eine Familiengeschichte aus dem Umfeld der schwedischen Sámi.

Die erst siebzehnjährige Siv muss, nach einem Unfall ihres Vaters bei Holzschlägerungen, ihren Traum Lehrerin zu werden aufgeben. Als älteste Tochter soll sie zum Einkommen der Familie beitragen. Ihr Vater schickt sie als Köchin ("Kocka") für eine zehnköpfige Gruppe von Holzarbeitern über die Wintermonate in den Norden Schwedens. Das schüchterne Mädchen fühlt sich anfangs unsicher, doch mit der Zeit genießt sie die neu empfundene Freiheit. Trotz der harten Lebensbedingungen und der Kälte fühlt sie sich unter den Männern wohl. Sie wird freundlich aufgenommen und akzeptiert. Dann begegnet sie den jungen Sámi und Rentierzüchter Nila und verliebt sich in ihn.

Sivs Enkelin Eva ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes und Forstwirtin. Sie arbeitet in Uppsala als PR-Beraterin in einem großen Forstunternehmen. Dieses ist für die Abholzung in genau dem Gebiet verantwortlich, wo Eva ihre Kindheit bei den Großeltern verbracht hat. Ein vererbtes Stück Wald ist ihr geblieben und die Erinnerung an eine Jugendliebe. Nun soll sie nach Jahrzehnten wieder nach Västerbotten in das Dorf reisen und mit den Aktivistengruppen und Umweltschützern verhandeln. Doch diese Aufgabe ist alles andere als einfach und Eva bekommt immer mehr Anfeindungen zu spüren.

Der Autorin gelingt es perfekt historische und aktuelle schwedische Themen miteinander zu verknüpfen. Zentrale Bereiche des Romans sind die Rechte der Sámi, dem ursprünglichen Volk in Lappland, die mit ihren Rentieren durch die Wälder streifen, sowie das umstrittene Abholzungsprogramm. Darüber habe ich bereits einiges im Schweden Krimi von Sandra Åslund "Im Herzen so kalt" gelesen. Der Umgang mit den Wäldern in Schweden zu diesem Thema hat mich sehr nachdenklich gestimmt.
Besonders gelungen ist Ulrika Lagerlöf aber die Beschreibung der Natur und der Widrigkeiten der Gegend. Dabei unterstreicht sie aber auch dessen Schönheit und wie wichtig das Zusammenspiel der einzelner Organismen für die Wälder ist. Wirtschaftliche und ökologische Interessenskonflikte prallen hier immer wieder aufeinander.

Ich mochte den atmosphärischen und malerischen Schreibstil, der manchmal auch etwas melancholisch wird.
Es kommt selten vor, dass ich nicht der Handlung in der Vergangenheit den Vorzug gebe. Der Autorin ist es jedoch gelungen, dass ich beide Handlungsstränge gleich gerne gelesen habe. Man spürt die inneren Konflikte beider Frauen sehr stark durch die Zeilen. Während Sivs sich ihr Leben wahrlich anders vorgestellt hat und auch die Liebe zu Nila unter keinem guten Stern steht, erkennt Eva bald, dass sie die aktiven Umweltschützer, die gegen die Abholzung kämpfen, nicht ganz ignorieren kann und beginnt genauer hinzuschauen.

Ulrika Lagerlöf arbeitet in der Unternehmenskommunikation für die Forstwirtschaft. Ihr Mann ist ein Nachfahre von Selma Lagerlöf, die unter anderem "Nils Holgerson" geschrieben hat. Durch ihre eigene Familiengeschichte wurde sie zur Geschichte inspiriert.
Erwähnen muss ich noch den tollen Farbschnitt mit den Moltebeeren, den man ja eher in anderen Genres findet.

Ich habe leider erst jetzt bemerkt, dass es noch einen weiteren Band (oder zwei?) der Norrland Saga geben wird. Dieser erste Band ist für mich eigentlich abgeschlossen, aber ich lasse mich gerne überraschen.

Fazit:
Ein sehr atmosphärischer und dichter Roman, der einen Einblick in die Welt der Sámi gibt, aber auch einen Blick auf das Ökosystem und den Umweltschutz wirft. Ich empfehle diesen Roman sehr gerne weiter!