Beben der Wildnis

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
bobbi Avatar

Von

Nach dem weltweiten, großen Erfolg ihres Debüts „Zugvögel“ legt die Autorin Charlotte McConaghy nun einen weiteren pulsierenden und leidenschaftlichen Roman vor, der sich dem Naturschutz, Klimawandel und dem menschlichen Dasein in all seinen Facetten ergreifend widmet.

Die Wildbiologin und innige Tierschützerin Inti Flynn leitet in den schottischen Highlands ein umstrittenes Projekt zur Wiederansiedlung von vierzehn Grauwölfen, das auf viel Skepsis und Widerstand bei den angrenzenden Bauern stößt, obwohl es sich schon bereits als großen Vorteil für die Natur und den Wildbestand erwiesen hat. Daneben kümmert sie sich aufopferungsvoll um ihre Zwillingsschwester Aggie, die durch ein schweres Trauma völlig in sich gekehrt auf Hilfe und menschliche Nähe angewiesen ist. Doch auch Inti hat mit inneren Dämonen sowie Verletzungen zu kämpfen und hat den meisten Menschen den Rücken gekehrt. Sie hat eine besondere, angeborene neurologische Fehlsteuerung, die Gabe und schwere Last zugleich ist: Durch die Mirrow-Touch-Synästhesie spürt und empfindet sie am eigenen Körper das Leid anderer Lebewesen.

Als ein Farmer tot aufgefunden wird und ein Mann verschwindet, scheint nicht nur ihr Projekt, sondern auch das Leben ihrer geliebten Wölfe in Gefahr. Thrillerartig, spannend und mystisch kämpft Inti für alles, was ihr wichtig ist und kommt selbst ins Zweifeln, was in der Wildnis auf sie wartet. Denn von wem geht hier die Gefahr aus – wilde oder menschliche Bestien?

Neben der großartigen und lyrischen Beschreibungen von Natur und Tieren, spürt McConaghy in „Wo die Wölfe sind“ auch anderen Themen bewegend, authentisch und tiefgründig nach: Tiefe seelische Traumata, häusliche Gewalt an Frauen, Außenseitertum beim Wolf und beim Menschen, Familienbilder und der Kampf um Vertrauen und Liebe. Stellenweise wäre ein Thema weniger etwas zentrierter gewesen und der spannungsgeladene Showdown driftet etwas zu sehr ins Mystisch-Übersinnliche ab und trotzdem entwickelt der Umweltroman bis zum Ende einen mitreißenden, atemberaubenden Sog.

Szenische Rückblenden in die bewegte Vergangenheit der Schwestern liefern ein detailliertes Bild ihrer familiären Verstrickungen und verdichten das Bild von Inti als komplexen Charakter, der zwischen Wut, Zärtlichkeit, Zorn und Hoffnung changiert. Ein fesselnd-kraftvoller sowie zutiefst menschlicher Roman und eine faszinierende Geschichte zwischen Leidenschaft und Verzweiflung, Angst und Heilung, die lange nachhallt und unvergessliche Bilder über die Schönheit und Wildheit der Natur kreiert.