Naturschutz und Unterhaltung
Wo ist die Literatur, die sich mit dem Klimawandel auseinandersetzt? Das fragte sich Bernd Ulrich im vergangenen Jahr und beklagte im Feuilleton der Zeit, dass uns die Literatur in Zeiten der ökologischen Krise alleine lasse. Dass diese Klage ziemlicher Unfug ist, zeigt ja schon die Fülle an Büchern, die den Klimawandel und dessen Folgen für unser Zusammenleben thematisieren.
Das reicht von „gehobener“ Literatur wie etwa Roman Ehrlichs Malé, Jonathan Franzens Freiheit oder John von Düffels Der brennende See über das Gebiet der Lyrik (hier wäre beispielsweise Marion Poschmann eine Autorin, die sich mit diesen Themen auseinandersetzt) bis hin zur Genreliteratur. Egal ob Wolf Harlanders 42 Grad, Uwe Laubs Dürre oder Dirk Rossmann mit seinen Oktopus-Thrillern – Literatur, in der der Klimawandel und seine Folgen präsent sind, gibt es en masse – und massentauglich ist sie noch dazu.
Das Feld der Klimawandel-Literatur ist ein weites, das qualitativ und in Sachen Anspruch viele unterschiedliche Schattierungen aufweist. Neben den eingangs genannten Namen gibte s ja auch noch viele weitere Titel, die auf breites Interesse stoßen und vielfach rezipiert werden. Maja Lunde wäre hier ein Name, die mit ihrem Klimaquartett zeigt, dass sich ökonomischer Erfolg und ökologischer Anspruch in der Themenwahl überhaupt nicht ausschließen, sondern breit nachgefragt werden. Der erste Teil ihres Klimaquartetts Die Geschichte der Bienen war schließlich das meistverkaufte Buch des Jahres 2017, das geschickt Unterhaltung mit einer Botschaft verband.
Auch die 1988 geborene Autorin Charlotte McConaghy ist eine Autorin, die die These von der Ignoranz des Klimawandels durch die Literatur erheblich zum Wanken bringt. Ihr Debüt Zugvögel war vor zwei Jahren ein großer Überraschungshit, der nicht nur hierzulande viele Leser*innen begeisterte, sondern auch in vielen anderen Ländern große Erfolge erzielte und in den Bestsellercharts weit nach oben kletterte.
Wölfe in Schottland
Nun ist sie zurück und legt mit Wo die Wölfe sind ihren zweiten Roman vor. Spielte ihr Debüt in einer nahen dystopischen Zukunft, in der die Vögel nahezu vollkommen verschwunden war, ist ihr neues Setting deutlich konkreter in der Gegenwart verhaftet, genauer gesagt in den unwegsamen Highlands von Schottland.
Dort lebten einst die Wölfe, wie der Originaltitel im Präteritum erklärt. Dass aus dieser Vergangenheit wieder ein gegenwärtiger Zustand wird, wie ihn der deutsche Titel andeutet, dafür will Inti Flynn sorgen. Sie ist wie ähnlich wie Charlotte McConaghys Debütheldin Franny Stone eine kantige und sozial nicht immer ganz trittfeste Frau, die sich mit Leib und Leben dem Schutz der bedrohten Tierarten verschrieben hat.
Für ein Umweltschutzprojekt wollen Inti und ihre Mitstreiter Wolfsrudel in den Highlands ansiedeln. Ein Projekt, das auf den Erfahrungen aus einem Projekt im Yellowstone-Nationalpark basiert. Dort wurden Wolfsrudel freigelassen, die für eine Renaturierung der ganzen Umgebung sorgten, dezimierten sie doch die Wildherden, was wiederum für gesunde Herdengrößen und weniger Verbiss im Park sorgte, was schließlich Flora und Fauna merklich guttat.
Eine widerständige Heldin
So soll es jetzt auch im schottischen Hinterland laufen, wie sich die Projektverantwortlichen ausgerechnet haben. Gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung, die um ihre Schafherden und die eigene Sicherheit fürchtet, lassen Inti und ihre Mitstreiter die Wölfe unter permanentem Monitoring frei.
Während sich die Wölfe nun in der kargen Umgebung zurechtfinden, ihr neues Leben beginnen und in den Rudeln die sozialen Ordnungen festlegen, brodelt die Stimmung im Dorf, insbesondere, als es zu den ersten toten Tieren und einem gelynchten Wolf kommt. Nicht einfacher wird die Lage durch Intis Affäre mit dem lokalen Polizeichef und die Tatsache, dass sie einen toten Farmer verscharrt hat, der zu Gewalt neigte und dessen Leiche Spuren von Wölfen aufweist. Würde dieser Umstand publik, wäre das Projekt vorzeitig gescheitert, weshalb Inti schroff und abweisend alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um am Projekt festhalten zu können.
Nature Writing und Krimi
In der Folge wechselt Charlotte McConaghys Roman zwischen Nature Writing und Krimiermittlungen, während in Inti ihr Kind heranwächst und die Dorfbevölkerung zunehmend aggresiv gegen die Biolog*innen und Forscher*innen rebelliert. Auch die Fragilität unseres Ökosystems und der Kampf um dessen Bewahrung sind Themen, die sich durch Wo die Wölfe sind ziehen.
Dabei gelingt McConaghy einmal mehr ein fesselndes Buch, das die mit seinen Schilderungen des Soziallebens der Wölfe ebenso überzeugt wie mit Rätselraten über die Hintergründe des Todes des Farmers. Inty ist eine widerborstige und doch sympathische Heldin, die im Zusammenleben mit anderen Menschen zu wenig Diplomatie und viel Vehemenz neigt, wenn es um ihr Anliegen der Wiederansiedelung der Wölfe geht.
Zudem katapultiert sich die Autorin mit dem Beginn ihres Buchs auf einen der ausichtsreichsten Plätze, was den besten ersten Satz des Jahres angeht:
Wir waren acht Jahre alt, da schnitt mein Vater mich auf, von der Kehle bis zum Bauch.
Charlotte McConaghy – Wo die Wölfe sind, S. 9
Fazit
Zwischen krimitypischen Ermittlungen, Familiengeheimnissen, Wolfsrudeln und unwegsamer Natur sortiert sich dieses Buch ein, das abermals ein echter Pageturner ist, der die Fragen des Klimawandels und Möglichkeiten, diesem entgegenzuwirken, ebenso mitreißend wie engagiert verhandelt. Mit Wo die Wölfe sind beweist Charlotte McConaghy, das sich Anspruch, Massenkompatibiltät und solides Erzählhandwerk nicht ausschließen müssen und straft alle Debatten um mangelnde Repräsentation des Ökologischen und des Klimawandels in der Literatur Lügen. Da verzeiht man ihr sogar den einen Kitschausrutscher ganz am Ende des Romans.
Weitere Meinungen zu Wo die Wölfe sind gibt es unter anderem bei Constanze Matthes und Eulenmatz.
Das reicht von „gehobener“ Literatur wie etwa Roman Ehrlichs Malé, Jonathan Franzens Freiheit oder John von Düffels Der brennende See über das Gebiet der Lyrik (hier wäre beispielsweise Marion Poschmann eine Autorin, die sich mit diesen Themen auseinandersetzt) bis hin zur Genreliteratur. Egal ob Wolf Harlanders 42 Grad, Uwe Laubs Dürre oder Dirk Rossmann mit seinen Oktopus-Thrillern – Literatur, in der der Klimawandel und seine Folgen präsent sind, gibt es en masse – und massentauglich ist sie noch dazu.
Das Feld der Klimawandel-Literatur ist ein weites, das qualitativ und in Sachen Anspruch viele unterschiedliche Schattierungen aufweist. Neben den eingangs genannten Namen gibte s ja auch noch viele weitere Titel, die auf breites Interesse stoßen und vielfach rezipiert werden. Maja Lunde wäre hier ein Name, die mit ihrem Klimaquartett zeigt, dass sich ökonomischer Erfolg und ökologischer Anspruch in der Themenwahl überhaupt nicht ausschließen, sondern breit nachgefragt werden. Der erste Teil ihres Klimaquartetts Die Geschichte der Bienen war schließlich das meistverkaufte Buch des Jahres 2017, das geschickt Unterhaltung mit einer Botschaft verband.
Auch die 1988 geborene Autorin Charlotte McConaghy ist eine Autorin, die die These von der Ignoranz des Klimawandels durch die Literatur erheblich zum Wanken bringt. Ihr Debüt Zugvögel war vor zwei Jahren ein großer Überraschungshit, der nicht nur hierzulande viele Leser*innen begeisterte, sondern auch in vielen anderen Ländern große Erfolge erzielte und in den Bestsellercharts weit nach oben kletterte.
Wölfe in Schottland
Nun ist sie zurück und legt mit Wo die Wölfe sind ihren zweiten Roman vor. Spielte ihr Debüt in einer nahen dystopischen Zukunft, in der die Vögel nahezu vollkommen verschwunden war, ist ihr neues Setting deutlich konkreter in der Gegenwart verhaftet, genauer gesagt in den unwegsamen Highlands von Schottland.
Dort lebten einst die Wölfe, wie der Originaltitel im Präteritum erklärt. Dass aus dieser Vergangenheit wieder ein gegenwärtiger Zustand wird, wie ihn der deutsche Titel andeutet, dafür will Inti Flynn sorgen. Sie ist wie ähnlich wie Charlotte McConaghys Debütheldin Franny Stone eine kantige und sozial nicht immer ganz trittfeste Frau, die sich mit Leib und Leben dem Schutz der bedrohten Tierarten verschrieben hat.
Für ein Umweltschutzprojekt wollen Inti und ihre Mitstreiter Wolfsrudel in den Highlands ansiedeln. Ein Projekt, das auf den Erfahrungen aus einem Projekt im Yellowstone-Nationalpark basiert. Dort wurden Wolfsrudel freigelassen, die für eine Renaturierung der ganzen Umgebung sorgten, dezimierten sie doch die Wildherden, was wiederum für gesunde Herdengrößen und weniger Verbiss im Park sorgte, was schließlich Flora und Fauna merklich guttat.
Eine widerständige Heldin
So soll es jetzt auch im schottischen Hinterland laufen, wie sich die Projektverantwortlichen ausgerechnet haben. Gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung, die um ihre Schafherden und die eigene Sicherheit fürchtet, lassen Inti und ihre Mitstreiter die Wölfe unter permanentem Monitoring frei.
Während sich die Wölfe nun in der kargen Umgebung zurechtfinden, ihr neues Leben beginnen und in den Rudeln die sozialen Ordnungen festlegen, brodelt die Stimmung im Dorf, insbesondere, als es zu den ersten toten Tieren und einem gelynchten Wolf kommt. Nicht einfacher wird die Lage durch Intis Affäre mit dem lokalen Polizeichef und die Tatsache, dass sie einen toten Farmer verscharrt hat, der zu Gewalt neigte und dessen Leiche Spuren von Wölfen aufweist. Würde dieser Umstand publik, wäre das Projekt vorzeitig gescheitert, weshalb Inti schroff und abweisend alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um am Projekt festhalten zu können.
Nature Writing und Krimi
In der Folge wechselt Charlotte McConaghys Roman zwischen Nature Writing und Krimiermittlungen, während in Inti ihr Kind heranwächst und die Dorfbevölkerung zunehmend aggresiv gegen die Biolog*innen und Forscher*innen rebelliert. Auch die Fragilität unseres Ökosystems und der Kampf um dessen Bewahrung sind Themen, die sich durch Wo die Wölfe sind ziehen.
Dabei gelingt McConaghy einmal mehr ein fesselndes Buch, das die mit seinen Schilderungen des Soziallebens der Wölfe ebenso überzeugt wie mit Rätselraten über die Hintergründe des Todes des Farmers. Inty ist eine widerborstige und doch sympathische Heldin, die im Zusammenleben mit anderen Menschen zu wenig Diplomatie und viel Vehemenz neigt, wenn es um ihr Anliegen der Wiederansiedelung der Wölfe geht.
Zudem katapultiert sich die Autorin mit dem Beginn ihres Buchs auf einen der ausichtsreichsten Plätze, was den besten ersten Satz des Jahres angeht:
Wir waren acht Jahre alt, da schnitt mein Vater mich auf, von der Kehle bis zum Bauch.
Charlotte McConaghy – Wo die Wölfe sind, S. 9
Fazit
Zwischen krimitypischen Ermittlungen, Familiengeheimnissen, Wolfsrudeln und unwegsamer Natur sortiert sich dieses Buch ein, das abermals ein echter Pageturner ist, der die Fragen des Klimawandels und Möglichkeiten, diesem entgegenzuwirken, ebenso mitreißend wie engagiert verhandelt. Mit Wo die Wölfe sind beweist Charlotte McConaghy, das sich Anspruch, Massenkompatibiltät und solides Erzählhandwerk nicht ausschließen müssen und straft alle Debatten um mangelnde Repräsentation des Ökologischen und des Klimawandels in der Literatur Lügen. Da verzeiht man ihr sogar den einen Kitschausrutscher ganz am Ende des Romans.
Weitere Meinungen zu Wo die Wölfe sind gibt es unter anderem bei Constanze Matthes und Eulenmatz.