Familienbande

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jidewi Avatar

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Vergangenheit, Vorfahren und Vermächtnis- wer sind wir und wo kommen wir her? Diese Frage umtreibt uns, die letzten Generationen- diejenigen, die das Erbe der Zeit in sich tragen, diejenigen, die das Vermächtnis der Familie hüten und diejenigen, die eigentlich nicht gänzlich begreifen, warum vieles ist wie es ist, denn Familienbande sind meistens komplex und nicht immer klar ersichtlich, ein Knäuel an Emotionen, Geschichten und Verwicklungen, dass sich nicht immer gänzlich entwirren lässt. Wie oft habe ich mich selbst schon gefragt, was meine Vorfahren angetrieben hat und wie ich in dieses Leben gelangt bin, den Status quo, so, wie es jetzt ist mit allen Konsequenzen. "Wo wir Kinder waren" von Kati Naumann gibt wunderbare Einblicke in eine traditionelle Familie mit eigenem Betrieb, einer Kunst, die über Generationen weitergegeben wird, aber auch Trauer, Unmut, Verlust und Ängste, die die nachfolgenden Kinder auf ihrem Weg beeinflussen.

Iris, Jan und Eva sind Erben der Spielzeugfabrik ihrer Vorfahren längst vergessener Zeiten. Sie überdauerte Weltkriege und berufliche Talfahrten, aber auch prachtvolle Zeiten voller Optimismus. Das, was heute davon bleibt, ist jedoch getrieben von Zwietracht, Misstrauen und Vorurteilen, ohne genau zu verstehen warum. Bis Eva eine der wertvollen Puppen der Fabrik ersteigert und sie dadurch begreifen, dass sie selbst heute noch mehr eint als bloße Laster der Vergangenheit.

Der Stil ist einnehmend, der Leser fühlt sich an die Hand genommen auf eine Zeitreise in längst vergessene Epochen mit realen Zeitzeugen. Die Geschichte ist detailreich, emotional und formt die Charaktere zu wahren Persönlichkeiten ihrer Zeit. Dabei bleibt die Handlung leicht, fließend und die Zeitsprünge sind wunderbar gewählt zwischen dem Hier und Jetzt und der Erklärung, warum sich Geschichte immer anders entwickelt als gedacht. Alles wirkt authentisch und ist in allen Farben zu visualisieren. Die Spielzeugproduktion wird zwar allumfassend dargestellt, langweilt dabei jedoch den Leser nicht, weil die Autorin die richtige Balance des Informationsgehalts findet. Die Geschichte ist voller emotionaler Höhepunkte, aber auch kompletter Talfahrten und vereint die Unwägbarkeiten von Familie. Der kleine Kritikpunkt sind die teilweise holprigen Dialoge im Hier und Jetzt in einer sonst nahtlosen Geschichte. Besonders hervorzuheben ist die Liebe zu den Details der Familiengeschichte und die Charakterentwicklung bedingt durch die Ereignisse des Lebens. Für mich bedeutsam, denn gerade aus empathischer Sicht ein spannendes Thema, warum Familie so nah und so fern sein kann und wir Sichtweisen adaptieren deren Bedeutung wir nicht wirklich begreifen, die jedoch familiär so gelebt werden. Eine klare Empfehlung für Liebhaber von Mehrgenerationen Geschichten und Handwerkskunst, die die Zeit überdauert, aber auch liebevollen Geschichten über das Leben mit seinen Launen.