Erbe mit Sprengkraft

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"Wo wir uns treffen" von Anna Hope ist ein Roman, der zum Nachdenken anregt. Anfangs kommt er noch auf leisen Pfoten daher und baut erst nach und nach an Spannung auf, um dann aber mit voller Wucht zuzuschlagen.

Die Handlung erstreckt sich über fünf Tagen auf einem verfallenen, aber majestätischen Anwesen in Sussex, wo sich die Familie Brooke versammelt, um ihren Patriarchen Philip zu beerdigen. Seine Frau und seine drei erwachsenen Kinder Frannie, Milo und Isa sind in ihren Moralvorstellungen und Idealen teils sehr unterschiedlich und es dauert nicht lange, dass diese aufeinanderprallen. Das Gleiche gilt für ihre Pläne für das Anwesen. Und dann ist da noch die Tochter von Philips langjähriger Geliebten, die das wahre Erbe der Brookes kennt.

Die Autorin liefert auf den mehr als 400 Seiten einen scharfen psychologischen Blick und ein atmosphärisch dichtes Porträt einer Familie, die unter der Last von Erbe, Trauer und unausgesprochenen Wahrheiten zerbricht. Familie ist eben kompliziert, und dieses Buch beschreibt einige dieser Kämpfe sehr gut.

Aber nicht nur die vielschichtige Familien- und Geschwisterdynamik steht im Mittelpunkt der klug erzählten Geschichte, sondern auch das Anwesen in Sussex selbst ist ein wesentlicher Bestandteil der Handlung, so dass es fast wie eine eigene Figur wirkt. Zudem liefert die Entstehungsgeschichte des Anwesens einen tiefen Einblick in die soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit der Vergangenheit und wird überzeugend aufgearbeitet.

Dank des bildhaften und präzisen Schreibstil der Autorin und der verschiedenen Erzählperspektiven ist man ebenso nah an den Charakteren dran, wodurch eine umfassende und realistische Figurenzeichnung entsteht. Mancher Charakter sowie Handlungsstrang hätte jedoch noch etwas mehr Tiefe vertragen können.

"Wo wir uns treffen" ist insgesamt ein tiefgründiger Roman, der nach gemächlichen Beginn, schnell eine Sogwirkung entfaltet und kluge Fragen über Familie, Erbe und aktuelle gesellschaftliche Themen stellt.