Interessant, aber habe mir mehr erhofft.

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Nach dem Tod von Philip Brooke kehren seine Kinder zur Beerdigung für fünf Tage zurück auf das riesige Familienanwesen in Sussex. Frannie lebt als einzige noch dort, ist als Alleinerbin eingesetzt und hat die letzten Jahre gemeinsam mit ihrem Vater daran gearbeitet, die Ländereien zu renaturieren, um Tiere und Natur zurückzuholen und so für ihre 7-jährige Tochter eine Zukunft und ein wertvolles Erbe zu schaffen. Doch Milo, Frannies jüngerer Bruder, hat eigene Pläne mit dem Ort. Er möchte einen Teil des Waldes für sich beanspruchen, um dort ein Oberklasse-Retreat für, im Wesentlichen, reiche Männer wie ihn zu schaffen, die unter anderem durch den Konsum von Pilzen zu »besseren« Menschen werden sollen. Frannie hält nichts davon, jedoch fühlt sich Milo im Recht, hat Philip ihm dies doch während eines von Milo herbeigeführten Pilztrips kurz vor dessen Tod zugesagt. Isa, die Schwester der beiden, hat sich schon lange so weit wie möglich vom Familienerbe losgesagt und lebt als Lehrerin ein ruhiges Leben. Doch auch sie plagen die Geister der Vergangenheit. Sowie die Gedanken an einen Gast, den Isa zur Beerdigung eingeladen hat und von dem der Rest der Familie noch nichts weiß. Auch Grace, Philips Ehefrau und Mutter der drei gemeinsamen Kinder hadert mit den Umständen. Nach Philips Tod schmeißt sie Tochter Frannie und Enkelin aus deren Cottage, um es selbst zu bewohnen – keine Sekunde länger möchte sie im Herrenhaus verbringen. Während die Vorbereitungen voranschreiten und die Beerdigung näher rückt, geraten die Familienmitglieder immer wieder aneinander. Unterschiedliche Lebensvorstellungen, alte Konflikte sowie der Druck, der auf allen lastet, die ganz eigenen Dämonen zu bewältigen, die jede*r von ihnen mit Philip verbindet, der Zeit seines Lebens ein egomanischer, kaltherziger und furchtbarer Vater und Ehemann war, bringen die Emotionen zum Hochkochen. Und dann wäre da noch die Vergangenheit des Anwesens, die von unerwarteter Seite aufgedeckt wird und die Familiendynamik weiter ins Wanken bringt. Fünf Tage, nach denen nichts mehr ist wie es vorher war.

»Wo wir uns treffen« ist ein Roman, dessen Handlung eher langsam voranschreitet. Die persönlichen Konflikte innerhalb der Familie und der Angestellten des Anwesens stehen – samt Rückblenden – im Zentrum der Geschichte. So setzt sich nach und nach eine Familiengeschichte zusammen, die verheilte Narben und offene Wunden offenbart – in der Familiendynamik, in den Seelen der einzelnen Familienmitglieder, in der Geschichte des Anwesens. Philip Brooke als selbsternannter Patriarch einer Linie aus Brooke-Patriarchen und sein Erbe sind dabei Dreh- und Angelpunkt. Innerhalb von fünf Tagen kommen alte Konflikte und Geheimnisse ans Licht, werden Streits beigelegt oder von Neuem entfacht, wird verziehen und geliebt und gestritten, zerbrechen Träume, findet Verdrängung und Bewältigung statt. Gleichzeitig ist dieser Roman neben einer Familiengeschichte auch eine Geschichte des Landes, erzählt von Englands Vergangenheit als Kolonisator und Unterdrücker, von Besitzanspruch, altem Geld und alter Schuld. Aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, steht die Frage danach im Zentrum des Buches, inwiefern wir Verantwortung tragen (müssen) für das Erbe unserer Vorfahr*innen. »Wo wir uns treffen« ist bereits mein dritter Roman von Anna Hope und obwohl ich ihn gerne gelesen habe, ist es der Roman, der mich am wenigsten begeistern konnte. Mir fehlte so ein bisschen das besondere Etwas, das sowohl »Was wir sind« als auch »Der weiße Fels« in sich trugen. Dazu kamen ein paar Längen im Verlauf des Buchs. Dennoch konnte mich die Geschichte immer wieder abholen und wurde besonders zum Ende hin richtig gut und fesselnd, als die Handlung Fahrt aufnahm. Ein gut zu lesendes Buch, ein stellenweise interessantes Buch, aber auch ein Buch, bei dem ich denke, dass man noch mehr aus der Geschichte hätte herausholen können.