Bitter and sweet: An deiner Seite

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Mit ihrem Debütroman “Wohin du auch gehst” hat die Autorin Christina Fonthes, die bereits den Writers Award und weitere Preise gewonnen hat, ein bemerkenswertes Buch über die Schicksale von zwei Frauen vorgelegt, die ihre Heimat, die heutige Demokratische Republik Kongo, verlassen haben.

Die Geschichte von Mira beginnt im Jahr 1974 in Gombe und Kinshasa. Mira ist damals neun Jahre alt und wächst als Kind einer zu Reichtum und politischem Einfluss gekommenen Familie auf, doch den Konventionen will sie sich nicht beugen. Als Jugendliche geht sie in Klubs und verliebt sich in einen jungen Musiker. Als sie zur Strafe in das Haus ihrer älteren Schwester Eugenie geschickt wird, um dort den Haushalt zu führen, stellt sich heraus, dass sie schwanger ist. Mira will dieses Kind nicht und die nächsten Lebensjahre verbringt sie unter wechselnden Umständen in Europa. Ihre Berufung findet sie in ihrem Glauben.

Am 3. März 1982 wird Bijoux in Mbandaka geboren. Als Kind wird sie aus ihrem Heimatland nach London gebracht, um bei Tantine Mira zu leben. In der Beziehung dominiert das Unausgesprochene und die Religion. Als Bijoux erklärt, lesbisch zu sein, wird sie durch Mira und die Kirche unter Druck gesetzt, zu heiraten- eine unglückliche Ehe. Doch Bijoux bricht aus der Beziehung aus, sie möchte sich und ihre Freundin nicht mehr verstecken. Wird es ihr gelingen, ein erfülltes Leben mit ihrer Partnerin zu führen und sich mit ihrer Familie auszusöhnen?

Christina Fonthes hat ihren Roman in mehreren Zeitebenen aufgebaut, die zeigen, wie sich die Schicksale der beiden Frauen ineinander verschränken. Die einzelnen Kapitel sind jeweils einer Protagonistin- Mira oder Bijoux- zugeordnet, die die Handlung in Ich-Form erzählen. Die Sprache der Autorin ist lebendig und bildhaft, allerdings ist es notwendig, manchmal zurückzublättern, um die Zusammenhänge besser zu erkennen. Zwischen den beiden Frauen ist Schweigen vorherrschend, und erst spät werden die Lesenden erfahren, worauf sich dieses Schweigen gründet. So bietet das Buch am Ende noch einmal eine völlig neue Sicht auf das Geschehen.

Die Handlung wird authentisch bereichert durch Sätze in Lingala, einer Sprache, die in weiten Teilen der Demokratischen Republik Kongo und in den umliegenden afrikanischen Ländern gesprochen wird. Zum besseren Verständnis ist dem Buch am Ende ein Glossar angeschlossen, das die Ausdrücke erklärt.

Dieser Roman ist keine leichte Lesekost, obwohl er sich angenehm und flüssig liest. Die behandelten Probleme sind vielfältig: Migration und Diskriminierung aufgrund der Herkunft, schwierige Lebensbedingungen in einem Land, das nicht die Heimat ist, frühe Schwangerschaft, Krankheit und Tod. Dazu tragen auch die Wertvorstellungen und Sitten aus dem Herkunftsland bei, die die Sichtweise auf das Verhalten der Protagonistinnen bestimmen. Entgegen allen religiösen Regeln, die das Leben einschränken, wird vor allem das Thema der gleichgeschlechtlichen Liebe behandelt, wobei die beiden Partnerinnen sehr lange Ablehnung erfahren und Vorurteilen sowie falschen Vorstellungen ausgesetzt sind. Wird es Bijoux und ihrer Partnerin Chancey gelingen, ihre Liebe offen zu leben?

“Wohin du auch gehst” ist interessant und lesenswert, vielleicht braucht man ein wenig Zeit, um sich in die Situation der beiden Frauen zu versetzen, doch je mehr die Handlung voranschreitet, desto besser gelingt es. Vor allem Lesende, die anderen Kulturen gegenüber aufgeschlossen sind, werden hier eine interessantes Buch vorfinden. Allerdings hätte ich mir eine klarere Zeitstruktur gewünscht. Ich kann diesen Roman gerne empfehlen und bewerte ihn mit vier Sternen.